Nasenphantasie  Die Feenkönigin hatte wie eine Alraune die Nase des Fremden genommen und den Abend damit zugebracht, sie, ohne ihrer Größe dadurch etwas zu benehmen, in ebenso viele Stücke und Formen zu teilen und zu spalten, wie Köpfe in Straßburg waren, die sie tragen konnten. Die Äbtissin von Quedlinburg, die gerade in dieser Woche mit vieren der Würdenträgerinnen ihres Kapitels, nämlich der Priorin, der Dechantin, der Subkantorin und der Oberkanonissin, nach Straßburg gekommen war, um bei der Universität ein Gutachten über eine Gewissensfrage wegen ihrer Schlitze im Hemd einzuholen, befand sich die ganze Nacht über nicht wohl.

Die Nase des freundlichen Fremden hatte sich auf die Spitze der Zirbeldrüse ihres Gehirns gesetzt und richtete in der Phantasie der vier Würdenträgerinnen ihres Kapitels ein solches Gepolter an, daß sie die ganze Nacht deswegen kein Auge zutun konnten. Sie konnten mit keinem Glied weder ruhen noch rasten, kurz, sie sahen aus wie die leibhaftigen Gespenster, als sie aufstanden.

Die Bußschwestern vom dritten Orden des heiligen Franziskus, die Nonnen vom Kalvarienberg, die Prämonstratenserinnen, die Cluniazenserinnen, die Kartäuserinnen und alle die strengeren Nonnenorden, welche in dieser Nacht zwischen härenen Decken lagen, waren noch übler dran als die Äbtissin von Quedlinburg, indem sie sich die ganze Nacht durch in ihren Betten bald von der rechten auf die linke, bald von der linken auf die rechte Seite warfen und drehten und drehten und warfen. Die verschiedenen Schwesternschaften hatten sich beinahe zu Tode gekratzt und zugerichtet. Fast lebendig geschunden, standen sie aus ihren Betten auf; alle dachten, der heilige Antonius habe sie mit seiner Feuerprobe heimgesucht, kurz, sie hatten während der ganzen Nacht, von der Vesper bis zum Morgengebet, kein Auge zugetan.

Die Nonnen der heiligen Ursula taten am klügsten — sie dachten gar nicht ans Zubettgehen.

Der Dekan von Straßburg, die Präbendarien, die Kapitulare und Domizellare (die sich am Morgen kapitelweise versammelt hatten, um über die Butterwecken zu ratschlagen) wünschten alle, sie wären dem Beispiel der Nonnen der heiligen Ursula gefolgt. In dem allgemeinen Wirrwarr und Durcheinander, das am Abend vorher überall geherrscht hatte, hatten die Bäcker vergessen, den Teig anzurühren. In ganz Straßburg waren keine Butterwecken zum Frühstück zu haben. Das ganze Domviertel war in unaufhörlicher Bewegung. Eine solche Ursache der Unruhe und Schlaflosigkeit und ein so eifriges Forschen nach der Ursache dieser Unruhe waren in Straßburg nie erhört, seitdem Martin Luther mit seinen Lehren die Stadt auf den Kopf gestellt hatte.  - Hafen Slawkenbergius, nach (shan)

 

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