Nase, falsche 

 Die falsche nase

 - Thomas Körner

Nase, falsche (2)

- Paul Cadmus

Nase, falsche (3)

Nase, falsche (4)

Nase, falsche (5)  Am Abend des Karnevaldienstags 56 hatte die Gemeinde Centanni, um den Kehraus ihrer Angestellten aufzuheitern, falsche Nasen verteilen lassen. Die Idee stammte vom Bürgermeister und vom Jugendreferenten. So hatten sich fast alle Teilnehmer die Nasen aufgesetzt. Aber die größte Freude hatte ein gewisser Cortellini Amodio, ein Einfaltspinsel, der sich die einmal aufgesetzte Nase nicht mehr abnehmen wollte. Für die Frauen hatte die Gemeinde Schönheitspflästerchen mit Härchen drauf verteilen lassen, die ins Gesicht zu kleben waren, oder als Alternative Spitzhüte wie für Märchenfeen.

Der besagte Cortellini behielt die Nase aus besonders gearteter Eitelkeit auch an den folgenden Tagen auf. Bis dahin war er ein braver, duldsamer armer Teufel gewesen, der mit seiner steinalten Mutter zusammen lebte und die Hühner hütete. Sie hatten ihrer vierzig. Seine Mutter hatte ihn schon als Kind abgerichtet und er hütete sie, damit sie nicht verlorengingen. Er war auch imstande, die Eier einzusammeln, aber nicht, sie zu zählen. Zahlen begriff er nicht. Er kannte aber jedes einzelne Huhn und führte sie zum Picken hinaus aufs Feld. Er erkannte auch die Hühner der anderen und verscheuchte sie, wie ihn die Mutter gelehrt hatte, wenn sie versuchten, sich heimlich in seine Schar einzuschleichen. Sonst hatte er keine besonderen Begabungen, und wenn seine Hühner schlafen gegangen waren, ging er ins Dorf und mischte sich unter die Gäste der Kneipe.

Es gab im Dorf nur eine einzige Kneipe, die »Bar Nazionale«, in der traditionsgemäß die Männer zusammenkamen. Dort also erschien Cortellini mit der falschen Nase, die an einem Gummi festgemacht war. Er war angezogen wie ein Dorftrottel, eigentlich wie ein Dorftrottel von früher. Und jeder, der ihn sah, sagte ein paar alberne Worte zu ihm, wie es sebstverständlich ist, wenn man an einem gewöhnlichen Werktag jemandem mit einer falschen Nase begegnet. Er, Cortellini, verzog sein Gesicht immer, als würde er lachen; man konnte aber nicht erkennen, ob er wirklich lachte oder ob das sein Normalzustand war. Außerdem hatten sie alle einen Hang zu freundschaftlichen Spaßen, da das Leben in der Kneipe nicht abwechslungsreich war, und ein Teil der Spaße zielte gewöhnlich auf die Nase. Das ging aber so weit, daß Cortellini manchmal vor Schmerz aufjaulte. »Amüsiert euch ruhig, aber tut ihm nicht weh«, sagte der Wirt. Es wurde aber immer schlimmer und lief darauf hinaus, daß sie ihm die Nase wegnehmen wollten. Aber nie ist es jemandem geglückt, ihm die Nase wegzunehmen, auch wenn sie es zu dritt probierten. Auch wenn sie ihn bei den Ohren packten und ihm die Ohren herumdrehten. Er machte einen ablehnenden Ruck wie ein Kaninchen und schlug blindlings nach rückwärts aus. »Kommt ihm nicht zu nah«, sagte einer, »er ist gefährlich, er hat nämlich eine Krise.«   - (cav)

 

Nase

 

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