ase, lange  Seit wenigstens drei Generationen hatte die Auffassung vom Vorteil langer Nasen nach und nach Wurzel in unserer Familie geschlagen. Die Überlieferung sprach durchaus für diese Auffassung, und alle halbe Jahre kam das wirtschaftliche Interesse dazu, um sie zu bestärken, so daß meines Vaters grillenhafter Kopf keineswegs allein für diese Anschauung verantwortlich war, wie es sich mit fast all seinen anderen sonderbaren Ideen verhielt. Denn man konnte sagen, daß er sie großenteils mit der Muttermilch eingesogen habe. Indessen tat er das Seinige dazu: Wenn seine Erziehung den Irrtum (falls es einer war) pflanzte, so begoß ihn mein Vater und pflegte ihn bis zur Reife.

Er beteuerte oft, wenn er seine Gedanken über diesen Punkt äußerte, daß er nicht begreife, wie die größte Familie in England eine ununterbrochene Folge von sechs oder sieben kurzen Nasen ertragen könne. Und aus dem entgegengesetzten Grund pflegte er hinzuzufügen, es müsse eines der größten Probleme im bürgerlichen Leben sein, ob wohl die gleiche Anzahl schöner langer Nasen, welche in gerader Linie aufeinanderfolgten, diese Familie zu den höchsten Ehrenstellen des Königreichs berufen und emporheben würde. Mit Selbstgefälligkeit rühmte er sich oft, die Familie Shandy habe unter Heinrich VIII. einen sehr hohen Rang bekleidet und ihre Erhebung keinen Staatskniffen zu verdanken gehabt, sondern nur, so sagte er, diesem Glücksumstand. Allein, pflegte er hinzuzufügen, das Rad habe sich wie bei anderen Familien gedreht und sie habe sich von dem Schlag, den ihr meines Urgroßvaters Nase zufügte, niemals wieder erholt. „Es war wirklich ein Kreuzas", rief er dann und schüttelte den Kopf, „und zwar das häßlichste, das jemals für eine unglückliche Familie zum Trumpf bestimmt worden ist."

Sachte, sachte, lieber Leser! Wohin reißt dich deine Phantasie fort? Wenn noch Wahrheit unter der Sonne ist, so glauben Sie mir, unter meines Urgroßvaters Nase verstehe ich nichts anderes als das äußere Organ des Geruchssinns oder jenen Körperteil des Menschen, der mitten in seinem Angesicht erhaben steht und der, wie die Maler sagen, bei guten hübschen Nasen und wohlproportionierten Gesichtern ein volles Drittel derselben einnehmen sollte, das heißt, wenn man vom Ansatz des Haars abwärts mißt.

— Wie einem Autor doch oft das Leben sauer gemacht wird!  - (shan)

Nase, lange (2) »Mein Freund«, bemerkte der Gast belehrend, »mit langer  Nase abzuziehen ist immerhin noch besser als ganz ohne Nase, wie unlängst erst ein kranker Marquis - offenbar war er von einem Spezialisten behandelt worden — seinem Beichtvater, einem Jesuiten, sagte. Ich war anwesend - es war geradezu entzückend. ,Geben Sie mir meine Nase wieder!' sagt er und schlägt sich dabei an die Brust. ,Mein Sohn', erwidert der Pater, »alles vollzieht sich nach dem unerforschlichen Ratschluß der Vorsehung, und ein sichtbares Übel bringt manchmal einen außerordentlichen, wenngleich unsichtbaren Vorteil mit sich. Wenn ein hartes Schicksal Sie Ihrer Nase beraubt hat, wird Ihr ganzes Leben lang niemand mehr sich unterstehen. Ihnen zu sagen, Sie hätten mit einer langen Nase abziehen müssen'. - »Ehrwürdiger Vater, das ist kein Trost!' ruft der Verzweifelte aus, ,ich wäre im Gegenteil begeistert, mein ganzes Leben lang täglich mit langer Nase abzuziehen, wenn ich an der richtigen Stelle nur eine hätte!' - 'Mein Sohn', seufzt der Pater, ,alle Güter darf man nicht gleichzeitig verlangen, das wäre ein Murren gegen die Vorsehung, die selbst hierin Ihrer nicht vergessen hat; denn wenn Sie so wie jetzt winseln, daß Sie mit Freuden bereit wären. Ihr ganzes Leben lang mit langer Nase abzuziehen, so ist auch hier Ihr Wunsch schon mittelbar erfüllt : denn indem Sie die Nase verloren haben, mußten Sie damit doch gleichsam mit langer Nase abziehen'...« - Fjodor M. Dostojewskij, Die Brüder Karamasow. München 1978 (dtv 2043, zuerst 1879)

Nase, lange (3)

Nase, lange (4)  Nach meiner Mutter beschäftigte sich mit meiner Bildung ganz besonders ihr Bruder, mein Oheim Simon de Geldern. Er ist tot seit 20 Jahren. Er war ein Sonderling von unscheinbarem, ja sogar närrischem Äußeren. Eine kleine, gehäbige Figur, mit einem bläßlichen, strengen Gesichte, dessen Nase zwar griechisch grad-linicht, aber gewiß um ein Drittel länger war, als die Griechen ihre Nasen zu tragen pflegten. In seiner Jugend, sagte man, sei diese Nase von gewöhnlicher Größe gewesen, und nur durch die üble Gewohnheit, daß er sich beständig daran zupfte, soll sie sich so übergebührlich in die Länge gezogen haben. Fragten wir Kinder den Ohm, ob das wahr sei, so verwies er uns solche respektwidrige Rede mit großem Eifer und zupfte sich dann wieder an der Nase.

Er ging ganz altfränkisch gekleidet, trug kurze Beinkleider, weißseidene Strümpfe, Schnallenschuhe und nach der alten Mode einen ziemlich langen Zopf, der, wenn das kleine Männchen durch die Straßen trippelte, von einer Schulter zur andern flog, allerlei Kapriolen schnitt und sich über seinen eigenen Herrn hinter seinem Rücken zu mokieren schien. - Heinrich Heine, Memoiren

Nase, lange (5)    Lucilius oder Horaz etwa nutzen die arme lange Nase als Häßlichkeitsmotiv. Apuleius vertritt demgegenüber eine Wertschätzung eben der langen Nasen, da die kleinen, stumpfen und kurzen seiner Auffassung nach nur auf knechtische Seelen, Diebe und Deserteure schließen lassen. Catull verbindet in der Beschreibung der häßlichen Dirne Ameana das Kennzeichen der langen Nase mit ihrer Unzucht. Martial verwendet dieselbe Deutung, der sich noch Goethe in seinen Epigrammen spielerisch anschloß. Überhaupt entspricht dieser Deutungsansatz einer international verbreiteten Spruchweisheit, die im Deutschen etwa zu dem Reimpaar führte:

Wie es unterm Hemd tut stehen,
kann man an der Nase sehen.

- Nachwort zu: Johann Christoph Friedrich Haug: Zweihundert Hyperbeln auf Herrn Wahls ungeheure Nase. Heidelberg 1991 (zuerst 1841)

Nase, lange (6)

Lange Nase

Dieser stattliche Onkel aus Xanten
hörte fortwährend von Passanten,
daß ihnen angst und bang sei,
weil seine Nase so lang sei.
Das störte den Onkel aus Xanten.

- (lea)

Nase, lange (7)


Langnasen 

- Jacques Callot, Balli di Sfessania

Nase, lange (8)

Nasenlänge

 

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