Namensmagie  Tausend Vorstellungen, wie sein künftiger Wohltäter aussehen, wie sein Alter, sein Gang, seine Miene sein werde stiegen in ihm auf und verschwanden wieder. Er setzte endlich von demselben ein so schönes Bild zusammen, daß er ihn schon im voraus liebte.

Überhaupt pflegte Anton in seiner Kindheit durch der Klang der eignen Namen von Personen oder Städten zu eignen Bildern und Vorstellungen von den dadurch bezeichneten Gegenständen veranlaßt zu werden. Die Höhe oder Tiefe der Vokale in einem solchen Namen trug zur Bestimmung des Bildes das meiste bei. So klang der Name Hannover beständig prächtig in seinen Ohren, und ehe er es sähe, war es ihm ein Ort mit hoben Häusern und Türmen, und von einem hellen und lichten Ansehen. Braunschweig schien ihm länglicht, von dunklerem Ansehen, und größer zu sein, und noch itzt stellt er sich Paris, das er nicht gesehen hat, nach eben einem solchen dunklen Gefühl bei dem Namen, vorzüglich voll heller weißlichter Häuser vor.

Es ist dieses auch sehr natürlich: denn von einem Dinge, wovon man nichts wie den Namen weiß, arbeitet die Seele, sich noch, vermittelst der entferntesten Ähnlichkeiten, ein Bild zu entwerfen, und in Ermangelung aller andern Vergleichungen, muß sie zu dem willkürlichen Namen des Dinges ihre Zuflucht nehmen, wo sie auf die hart oder weich, voll oder schwach, hoch oder tief, dunkel oder hell klingenden Töne merkt, und zwischen denselben und dem sichtbaren Gegenstände eine Art von Vergleichung anstellt, die manchmal zufälligerweise eintrifft.

Bei dem Namen L [obenstein] dachte sich Anton ohngefähr einen etwas langen Mann deutsch und bieder mit einer freien offenen Stirne, usw. Allein diesmal täuschte ihn seine Namendeutung sehr.  - Karl Philipp Moritz, Anton Reiser. Stuttgart 1972 (zuerst 1785 - 90)

Name Magie


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