Nachtigall, schlagende  »Ich will ganz still sein«, sagte der Sekretär und fuhr halblaut fort: »Beim Imbiß aber muß man, lieber Grigorij Sawwitsch, auch Verstand haben. Man muß wissen, was man essen soll. Der allerbeste Imbiß ist, wenn Sie es wissen wollen, ein zarter Hering. Sobald Sie ein Stückchen davon mit feinen Zwiebeln und Senfsoße verspeist haben, müssen Sie, mein Wohltäter, sich sogleich, solange Sie noch die Funken im Leibe verspüren, an den Kaviar machen, und zwar an den Kaviar, so wie er ist, oder, falls Ihnen das besser schmeckt, mit einer Zitrone; auf diesen aber müssen Sie einfachen gesalzenen Rettich folgen lassen und darauf aufs neue Hering; noch besser freilich schmecken, mein Wohltäter, eingesalzene Rötlinge, wenn man sie in ganz kleine Stücke zerschneidet, so klein wie Kaviar, und natürlich, verstehen Sie, mit Zwiebel und Provenceöl... rein zum Überfressen ist das! Aber die Leber von Quappen - die ist einfach eine Tragödie!«

»Tja ...«, bestätigte der ehrenamtliche Friedensrichter, die Augen zusammenkneifend. »Ein guter Imbiß sind auch ... geschmorte weiße Pilze.«

»Ja, ja, ja, mit Lauch, wissen Sie, und Lorbeer und noch anderen Zutaten. Wenn man die Pfanne öffnet, steigt ein Dampf aus. ihr auf, ein Pilzgeruch, der einem manchmal Tränen in die Augen treiben kann! Schön, sobald aber dann die Fischpastete aus der Küche kommt, muß man sich, ohne zu zaudern, auf der Stelle an das zweite Schnäpschen machen.«

»Iwan Gurjitsch!« sagte der Vorsitzende mit weinerlicher Stimme. »Ihretwegen habe ich jetzt das dritte Blatt Papier verdorben.«

»Der Teufel soll ihn holen, er denkt an nichts als an das Essen«, knurrte der Philosoph Milkin mit verächtlicher Grimasse. »Gibt es denn wirklich außer Pilzen und Fischpasteten keine wichtigeren Dinge im Leben?«

»Schön, vor der Fischpastete muß man unbedingt einen trinken«, fuhr der Sekretär halblaut fort; er war schon so von seinem Thema hingerissen, daß er, wie eine schlagende Nachtigall, nichts mehr hörte außer seiner eigenen Stimme. »Appetitlich muß die Fischpastete sein, schamlos in ihrer ganzen Nacktheit, damit sie eine gehörige Versuchung sei. Man zwinkert ihr mit einem Auge zu und schneidet sich ein ordentliches Stück ab und bewegt vor Übermaß des Gefühls die Finger gierig über ihr. Und wenn man sie dann ißt, muß das Fett wie Tränen von ihr heruntertropfen, die Füllung aber muß fett und saftig sein, mit Eiern, mit Gekröse und Zwiebeln...«

Der Sekretär verdrehte die Augen und zog den Mund bis fast an die Ohren. Der ehrenamtliche Friedensrichter räusperte sich, er stellte sich offenbar so eine Fischpastete vor, und bewegte krampfhaft die Finger.

»Weiß der Teufel, was das soll...«, brummte der Friedensrichter und trat ans andere Fenster.

»Hat man zwei Stücke gegessen, dann hebt man sich das dritte zur Suppe auf«, fuhr der Sekretär begeistert fort. »Sobald Sie mit der Fischpastete fertig sind, müssen Sie, damit der Appetit nur ja nicht vergehe, sogleich die Kohlsuppe bringen lassen ...«  - (tsch)

 

Nachtigall Gesang

 

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