achtigall Im Mai zur Zeit des Konzils, ging eine Gesellschaft Geistlicher in einem Gehölze bei Basel spazieren, Prälaten und Doktoren, Mönche von allen Farben, und sie disputierten über theologische Streitigkeiten, und distinguierten und argumentierten, oder stritten über Annaten, Exspektativen und Reservationen, oder untersuchten, ob Thomas von Aquino ein größerer Philosoph sei als Bonaventura, was weiß ich!
Aber plötzlich, mitten in ihren dogmatischen und abstrakten Diskussionen, hielten sie inne, und blieben wie angewurzelt stehen vor einem blühenden Lindenbaum, worauf eine Nachtigall saß, die in den weichsten und zärtlichsten Melodien jauchzte und schluchzte. Es ward den gelehrten Herren dabei so wunderselig zu Mute, die warmen Frühlingstöne drangen ihnen in die scholastisch verklausulierten Herzen, ihre Gefühle erwachten aus dem dumpfen Winterschlaf, sie sahen sich an mit staunendem Entzücken; — als endlich einer von ihnen die scharfsinnige Bemerkung machte, daß solches nicht mit rechten Dingen zugehe, daß diese Nachtigall wohl ein Teufel sein könne, daß dieser Teufel sie mit seinen holdseligen Lauten von ihren christlichen Gesprächen abziehen, und zu Wollust und sonstig süßen Sünden verlocken wolle, und er hub an zu exorzieren, wahrscheinlich mit der damals üblichen Formel: adjuro te per eum, qui venturus est, judicare vivos et mortuos etc. etc.
Bei dieser Beschwörung, sagt
man, habe der Vogel geantwortet: »ja, ich bin ein böser Geist!« und sei
lachend davongeflogen, diejenigen aber, die seinen
Gesang gehört, sollen noch selbigen Tages erkrankt und bald darauf gestorben
sein. - Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie
in Deutschland
Nachtigall (2) König Tereus, von seiner
Frau Prokne nach Piräus geschickt, um ihre Schwester Philomele zu holen,
ist in Liebe zu dieser schönen Schwägerin entbrannt: Er will sie,
kaum hat er sie erblickt, entführen und verführen. In der Tat enthüllt
er der Getrogenen und Getäuschten in einem dunklen Wald
seine bösen Gelüste und vergewaltigt sie auch.
Sie schwört ihm, ihr Unheil aller Welt bekanntmachen zu wollen. Um dies
zu verhindern, schneidet ihr Tereus die Zunge heraus.
Um sich zu rächen, tötet Philomele zusammen mit ihrer ebenfalls erzürnten
Schwester das Söhnchen des Tereus und der Prokne,
Itys. Sie setzen den Knaben dem Vater
als Speise vor, und Philomele schleudert ihrem Schänder den Kinderkopf
ins Gesicht. Die Handelnden dieses ungemein blutigen Dramas
werden daraufhin durch die Einwirkung der Götter in Vögel verwandelt:
Philomele in eine klagende Nachtigall, Prokne in eine Schwalbe, Tereus
in einen Wiedehopf. - (
schen
)
Nachtigall (3) Abends sagte der Vater: »Vielleicht hören wir heut wieder die Nachtigall«, und Eugen meinte, der Vater mache Spaß; denn wieder einmal redete er so, als ob's geflunkert wäre. Allmählich wußte Eugen, daß es sich lohnte, aufzuhorchen, wenn der Vater so etwas nebenbei hinwarf. Und dann schlug tatsächlich dort drüben und dort drunten am Eckartshaldenweg, wo der Garten der buckligen Frau war, nicht weit weg vom »Mördergängle« mit den eingesunkenen Steinstufen, eine Nachtigall.
Eugen lief weg, lief hinunter, wartete unterm Kirschbäum, lauschte, lehnte sich an das morsche Geländer, grad als war er zwanzig Jahre alt und hätte nichts von Krieg und Blut und Tod erfahren, spürte nur sein Leben. Und sie schnalzte, schlug und zirpte, ließ lange, wie ein Netz aus Gräsern gesponnene Töne hören, ließ ihr Lied schallen und anschwellen, Brunnenplätschern ähnlich und alleine in der Nacht. Nur der Mond fehlte.
Hanne war auch dabei und sagte, das sei nichts Besonderes gewesen. Das
Lied der Nachtigall habe sie enttäuscht. So konnte man's also auch hören,
und er wunderte sich, daß dies möglich war, speziell bei einer Nachtigall.
- »Da singt eine Amsel doch viel schöner«, sagte sie, während er meinte,
das vielfältig wechselnde Lied des Vogels sei, soweit er Vögel habe singen
hören, für keinen anderen typisch und übertreffe alle. Und er dachte: ob
sie recht hat? Vielleicht war er durch die Poesie verdorben oder voreingenommen.
Immerhin, du hast etwas gehört, was sich zu hören lohnt. -
Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst
1983)
Nachtigall (4) Der Gesang der Nachtigall, der in Dänemark dem des Laubsängers oder des Rotschwänzchens gleicht, aber von einer Amsel vorgetragen; der in Schonen unendlich einfach ist, nur einige Schläge, soll jedoch in den slawischen Ländern, Böhmen, Polen, Rußland, sehr kunstvoll sein. Naumann hat 15 Strophen in Buchstaben wiedergegeben; und eigentümlich ist, daß diese an slawische Sprachen erinnern. Zum Beispiel: 1. ih, ih, ih, ih, wotiwatiwi. 2. diwati quoi, quoi, quoi - - - 4. ihih tita girrritz - - - 6. twoi woi woi woi - - - 7. ly, ly, ly, ly, dahidowitz. Die 11. schließt mit zirhading und die 15. wieder mit dahidowitz. Voigt bemerkt auch, daß die Nachtigallen um Leipzig anders singen; sie tragen mit einem kurzen Vorschlag diese Strophe vor: zezezezä-zäzäzazazi.
Kann der Star nun wirklich die zahmen Haushühner und die Wetterfahne nachahmen, so könnte man sich ja denken, daß die Nachtigall, welche die Nähe des Menschen liebt, auch einen Eindruck von der Sprache des Landes annimmt. Warum nicht? Nilsson zitiert in seiner Fauna aus Bechsteins Aufzeichnung nach der Nachtigall Thüringens und findet deren Gesang identisch mit dem unserer nördlichen:
Tjuu tjuu tjuu tjuu, spe tiu zqua.
Tjoh tjoh tjoh
tjoh tjoh tjoh tjoh tix:
Qutio qutio qutio qutio,
zquoh zquoh zquoh zquoh
tzy
tzy tzy tzy tzy tzy tzy tzy, tzy, tzi,
quorror tiu zqua pipiquisi.
Nun ist zu bemerken, daß die angeführten Strophen nur ein Auszug aus den 24 sind, aber sie gleichen jedenfalls nicht Naumanns. Aristophanes gibt in den Vögeln den Gesang der griechischen Nachtigall mit diesen Wortbildungen wieder:
Epopopopopopopopopopoi,
Ió ió, itó itó itó itó
triotó triotó totobrix
deuro deuro deuro deuro.
Torotorotorotorolililix
torotix torotix
popopopopopopu,
titititititititina.
- (
blau
)
Nachtigall (5)
Die Nachtigall singt wunderschön,
Das Nilpferd bleibt zuweilen stehn
- Wilhem Busch
,
Naturgeschichtliches Alphabet
Nachtigall (6) Aus Charmis von Massilia
entnehme ich, daß die Nachtigall die Musik liebt und dabei sehr ruhmliebend
ist. Wenn sie nur für sich allein singt, trällert sie eine schlichte, schmucklose
Weise. Ist sie aber in Gefangenschaft und hat reichlich Zuhörer, so stimmt sie
einen komplizierten Gesang an und moduliert schmelzend ihre Melodie. - (
ael2
)
Nachtigall (7) Als Erfinderin
des Gesanges wurde sie wie wenige Vögel besungen, was die Römer nicht hinderte,
in ihrer parvenue nouvelle cuisine Nachtigallenzungen als Leckereien
zu servieren, es war auch ein Römer wie Martial, der sie als »schwatzhaft« beschimpfte.
Schon in ihren Anfängen sah sich die Sängerin mit der Macht konfrontiert. Bei
Hesiod, in seinem Werk über Arbeit, Wettstreit und Recht, erteilt ein Gewaltvogel
der Nachtigall eine ungeschminkte Lektion: »Also zur Nachtigall sprach, zur
buntgefleckten, der Habicht, / selber. Der mit den Fängen sie griff und hoch
in den Wolken dahintrug; / Die aber klagte, die Seiten durchbohrt von gebogenen
Krallen, / Jämmerlich; er aber herrschte sie an mit den höhnenden Worten:/Seltsame
du, warum schreist du? Dich hält nun ein weit Überlegener; Du wirst gehn, wohin
ich es will, auch wenn du ein Sänger. / Werde zum Mahl, wenn ich mag, dich verzehrn
oder lasse dich laufen. / Töricht der Mann, der begehrt, sich Stärkeren entgegenzustellen;
/ Geht verlustig des Siegs und hat zur Schande noch Schmerzen. / So der windschnelle
Habicht, der flügelspreitende Vogel.« - (
loe2)
Nachtigall (8)
Nauchtigull Nann nauch – di Nauchtigull |
- (
ko2
)
Nachtigall (9)
Nachtigall (10)
Ich hör'te die Sirenen der Büsche, Die Wunder-süße Nachtigall, Wie sie mit klingendem Gezische Erfüllte Wälder, Berg' und Tal; Ich hör'te sie bezaubernd streicheln Mit holdem Gurgeln, Luft und Ohr; Es brachte ihrer Kehle Schmeicheln Die Leiter der Musik hervor: Sie machte Fugen, Pausen, Sprünge, Und Kontra-Punkte, daß es ließ, Ob sie mit tausend Zungen sünge, Und in viel hundert Röhren blies. Bald ists, als ob sie jemand riefe; Bald kräuselt sie den reinen Schall; Bald senkt sie ihn in hohler Tiefe Durch einen angenehmen Fall. Es läßt, als wären im Geäder Von ihrem eingeschränkten Schlund Vom Wirbel-Wind getriebne Räder, So scharf, so reinlich und so rund Formier't ihr enger Hals die Tone, Ja selbst die schwersten, ohne Müh', Ohn' alles Zwingen, hell und schöne; Bald zieht, bald dreht, bald schärft sie sie, Kein Fechter schwingt so rasch den Degen; Die Wellen wallen nicht so kraus; Kein Pfeil kann sich so schnell bewegen, Als sie die Noten bringt heraus. Ists möglich, dacht' ich, wohnt solch Klingen So einem kleinen Seel'chen bei? Ists möglich, daß von solchem Singen Die Quell' ein tönend Stäubgen sei? Ein Federchen, drin Ton und Leben? Ein Flugel-schwingender Gesang? Ein Schall, ein Hauch, mit Haut umgeben? Ein singend Nichts? ein bloßer Klang? In solchen forschenden Gedanken Vertiefte sich mein muntrer Sinn Ich schloß, nach Hin- und Wider-Wanken, Es sei was Himmlisches darin. |
- Bartold Hinrich Brockes, nach
(arc)
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