Nachsicht  (Nicht aus Furcht, sondern als Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit wollte sie straffrei ausgehen.) Darauf sollte ein einziger Schuß mitten in die Brust Loewenthals Schicksal besiegeln. Aber die Dinge geschahen nicht so.

Im Angesicht Aaron Loewenthals fühlte Emma sich nicht so sehr gedrängt, ihren Vater zu rächen, als die um seinetwillen erlittene Schändung zu bestrafen. Nach dieser ausgeklügelten Entehrung war es ihr unmöglich, ihn nicht zu töten. Auch blieb ihr keine Zeit für theatralische Gesten. Vor ihm sitzend, bat sie Loewenthal zaghaft um Entschuldigung, berief sich (um die Denunzierung zu rechtfertigen) auf die gebotene Loyalität, nannte ein paar Namen, ließ auf andere schließen und brach ab, wie von Furcht überwältigt. Sie erreichte, daß Loewenthal ein Glas Wasser holen ging. Als er, kopfschüttelnd über so ein Getue, aber nachsichtig aus dem Speisezimmer zurückkam, hatte Emma bereits den schweren Revolver aus der Schublade genommen. Sie drückte zweimal auf den Abzug. Der stattliche Körper sackte zusammen, als hätten die Detonationen und der Rauch ihn geknickt, das Wasserglas zerschellte, das Gesicht sah sie mit Verblüffung und Wut an, der Mund in dem Gesicht beschimpfte sie auf Spanisch und Jiddisch. Die Flüche nahmen kein Ende; Emma mußte noch einmal feuern. Auf dem Hof brach der angekettete Hund in Gebell aus, und ein Schwall jähen Blutes floß über die obszönen Lippen und befleckte Bart und Kleidung. Emma begann mit der Anklage, die sie vorbereitet hatte (»Ich habe meinen Vater gerächt, und man wird mich nicht bestrafen können...«), aber sie sprach sie nicht zu Ende, denn Señor Loewenthal war bereits tot. Sie erfuhr nie, ob er sie noch verstanden hatte.     - Jorge Luis Borges, Emma Zunz. Nach (bo3)

 

Milde

 

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