achsagen
Eine spätantike Lebensbeschreibung Vergils gibt an, Vergil habe
an seinem 15. Geburtstag die Männertoga, d.h. das Kleidungsstück, das ihn von
nun an als Erwachsenen auswies, unter den gleichen beiden Konsuln angelegt,
unter deren Amtsführung er geboren war, und es habe sich getroffen, daß am gleichen
Tag der Dichter Lukrez
gestorben sei. Die Nachricht bezieht sich auf das Jahr 55 v. Chr. und
dürfte in ihrem Kern zuverlässig sein, allerdings mehr im Hinblick auf Vergil
als auf Lukrez. Denn mochte ein so auffälliges Zusammentreffen von Ereignissen,
wie es hier behauptet wird, in der Antike als Fügung erscheinen, ist es uns
doch ebenso verdächtig, fingiert zu sein, wie die Serie von Angaben, wiederum
bei Hieronymus, Lukrez sei durch einen Liebestrank in Raserei verfallen, habe
mehrere Bücher in Intervallen zwischen Wahnsinnsanfällen geschrieben und sich
schließlich mit eigener Hand getötet. Cicero, der Zeitgenosse, weiß von
einer solchen Tragik im Leben des Lukrez offenkundig nichts. Es scheint,
als sei die Geschichte von Lukrezens Krankheit und Tod erst nachträglich
und aus der Überzeugung heraus erfunden, mit einem Verächter der herkömmlichen
Religion - und als solchen gibt Lukrez sich zweifelsfrei
zu erkennen — müsse es ein schlimmes Ende genommen haben: Lukrez, der
die Vernunft preist, verlor selbst den Verstand.
Konkurrierende Philosophen bezichtigte er des Wahnes
und wurde selbst wahnsinnig. Er empfahl die »Wollust«
und fiel selbst der Liebesleidenschaft zum Opfer. Er war überzeugt, die Probleme
des Lebens zu beherrschen, und widerlegte sich durch die Art seines Sterbens.
Wer Lukrez derlei nachsagte, meinte offenbar, ihm sei recht geschehen.
Aber gerade diese Tendenz entwertet den Bericht.
- Ernst Günther Schmidt,
Vorwort zu (
luk
)
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