achlaß
Als 1957 seine Mutter starb, brach Woolrich völlig zusammen.
Allein und von Selbstverachtung gequält, schleppte er sich als Diabetiker und
Alkoholiker durch die letzten Jahre seines Lebens. Zwar schrieb er weiter, aber
das meiste davon blieb unvollendet, und außer einer Handvoll letzter Geschichten
über Liebe und Verzweiflung wurde in den letzten Jahren nichts Neues mehr von
ihm gedruckt. Sein eines Bein wurde von Brand befallen,
doch kümmerte er sich so lange nicht darum, daß der Arzt, bei dem er schließlich
Hilfe suchte, nichts anderes mehr machen konnte, als es zu amputieren. Da er
unfähig war zu lernen, wie man mit einem künstlichen Bein laufen konnte, lebte
er nach der Operation im Rollstuhl weiter. Er starb am 25. September 1958 an
einem Schlaganfall und hinterließ zwei unvollendete Romane, eine Sammlung von
Kurzgeschichten und eine Autobiographie. Man fand auch eine lange Liste mit
Titeln für Stories, die er nie zu schreiben begonnen hatte, und einer dieser
Titel fängt die Trostlosigkeit seiner Weltsicht mit einem einzigen Satz ein:
First you dream, then you die. Es gab keine Hinterbliebenen, und an seinem
Begräbnis nahmen nur eine winzige Handvoll Menschen
teil. Sein Nachlaß von fast einer Million Dollar wurde zu treuen Händen der
Columbia-Universität übergeben, wo seine literarische Karriere begonnen hatte;
mit dem Geld sollte ein Stipendienfonds für Studenten mit schriftstellerischen
Ambitionen eingerichtet werden. Der Fonds ist nach Woolrichs Mutter benannt.
Ich habe nur versucht, den Tod zu hintergehen, schrieb er in einem
Fragment, das man unter seinen Papieren fand. Ich habe nur nur eine kleine
Weile versucht, die Dunkelheit, die mich, das wußte ich mein ganzes Leben hindurch
mit Bestimmtheit, eines Tages einhüllen und auslöschen würde, für eine kleine
Weile zu überwinden. Ich habe nur versucht, nach meinem Ableben noch eine ganz
kleine Weile länger am Leben zu bleiben. - Francis M. Nevins, jr.,
in: Cornell Woolrich, Schwarzes Alibi. München 1986 (zuerst 1942)