Nachkriegsabenteuer  Aus Saarbrücken, wo Willy Eggers ihm den kleinen Grenzverkehr zwischen Groß-Rosseln und Klein-Rosseln erklärt, holt er sich, weil die Brüder Dulleck im Weserbergland nichts als Landluft und Dreimännerskat zu bieten hatten, einen handfesten, städtischen und französisch besetzten Tripper.

DREHT EUCH NICHT UM - DER TRIPPER GEHT UM. Mit so geladener Pistole, mit solch widerhäkiger Liebesgeißel, mit einer Spritze, serumtoll, bereist Matern mit Hund die Städte Bückeburg und Gelle, den einsamen Hunsrück, die liebliche Bergstraße, Oberfranken nebst Fichtelgebirge, sogar Weimar in sowjetisch besetzter Zone - wo er im Hotel «Elephant» absteigt ~ und den Bayrischen Wald, eine unterentwickelte Gegend.

Wo immer die Beiden, Herr und Hund, ihre sechs Pedalen hinsetzen, ob auf die Rauhe Alb, auf ostfriesisches Marschland oder in karge We-sterwalddörfer, überall hat der Tripper einen anderen Namen: hier sagt man Tropfhansl, dort warnt man vorm Liebesrotz; hier zählt man Kerzentropfen, dort kennt man den Schnepfenhonig; Stangengold und Edel-schnupfen, Witwentränen und Pimperöl sind anschauliche Mundartprägungen, desgleichen Rittmeister und Läuferle; Matern nennt den Tripper: «Die rächende Milch.» 

Versehen mit diesem Produkt sucht er heim alle vier Besatzungszonen und den gevierteilten Rest der ehemaligen Reichshauptstadt. Dort überkommt den Hund Pluto krankhafte Nervosität, die sich erst wieder legt, als sie westlich der Elhe die rächende Milch, also den Schweiß verteilen, gesammelt von der tropfenden Stirn blinder Justitia.

Dreht Euch nicht um, der Tripper geht um! Und zwar immer geschwinder, weil Materns rachevollziehendes Gerät dem Rächer keine Ruhe gönnt, sondern, soeben getätigter Rache bereits voraus, neuen Anlauf nimmt: auf nach Freudenstadt; ein Katzensprung nur bis Rendsburg; von Passau nach Kleve; Matern scheut viermaliges Umsteigen nicht und läuft sogar breitbeinig zu Fuß.
Wer heute nachliest in den Krankheitsstatistiken der ersten Nach-kriegsjahre, wird bemerken, wie die Kurve dieser harmlosen aber lästigen Geschlechtskrankheit ab Mai siebenundvierzig jäh ansteigt, ihren Höhepunkt Ende Oktober des gleichen Jahres erreicht, sodann spontan sinkt und endlich auf dem Frühjahrsniveau verbleibt, einer Linie, die vorherrschend vom innerdeutschen Reiseverkehr und dem Standortwechsel der Besatzungstruppen bestimmt wird, und nicht mehr von Matern, der privat und ohne Lizenz durch die Lande zog, um mit gonokok-kengeladener Spritze Namen abzuzinken und einen weitverstreuten Bekanntenkreis zu entnazifizieren. Deshalb nennt Matern später, wenn unter Freunden Nachkriegsabenteuer erzählt werden, seinen halbjährigen Tripper einen antifaschistischen Tripper; und in der Tat, Matern hat über den weiblichen Anhang ehemaliger Parteimittelgrößen einen Einfluß ausüben können, den man im übersetzten Sinn einen heilsamen nennen kann. - (hundej)

Abenteuer Nachkriegszeit


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