Nachholen  Am Anfange lebten die Menschen nicht über der Erde. Es gab überhaupt nur einen Mann und eine Frau und die lebten unter der Erde. Diese beiden Menschen waren die ersten und einzigen, und sie wußten nicht, daß von ihnen jeder ein anderes Geschlecht hatte. Eines Tages waren sie an ihrem Brunnen und wollten Wasser trinken. Der Mann sagte: »Laß mich trinken.« Die Frau sagte: »Nein, ich werde zuerst Wasser nehmen, ich bin die Erste.« Der Mann wollte die Frau beiseite stoßen. Die Frau aber schlug ihn. Beide schlugen sich. Der Mann schlug die Frau so, daß sie hinfiel. Ihre Kleider fielen zur Seite. Ihre Schenkel wurden nackt. Der Mann sah die Frau nackt vor sich liegen. Er sah, daß sie anders beschaffen war als er. Er sah, daß sie eine Achatschun hatte. Er fühlte, daß er einen Abbusch hatte. Er betrachtete die Achatschun und sagte: »Wozu ist das?« Er steckte den Finger hinein und die Frau sagte: »Das ist gut.« Der Mann fühlte seinen Abbusch wachsen. Er beschlief die Frau. Er blieb acht Tage lang mit der Frau liegen, dann erhob er sich erst.   - Märchen der Kabylen. Gesammelt von Leo Frobenius, Hg. Hildegard Klein. Düsseldorf u. Köln  1967

Nachholen (2)  Du kannst Suses Haus nicht verfehlen. Da liegt es, und der Neuschnee davor ist noch nicht gekehrt worden. Du ziehst deine Minox, denn dein Auftrag ist, alle Gespielinnenhäuser zu photographieren, ob die Spiele nun froh oder trist waren. Der Definition nach, daß ein gutes Spiel Ungewinn und Einsatzverlust ausschließt, waren alle Spiele schlecht. Aber du willst dir zum vierzigsten Geburtstag ein Mädchenhaus-Album schenken. (Wenn du verkalkst, wirst du lustlos werden, nach St. Demeter zu trotten, und manche Häuser werden niedergerissen sein.) Du visierst die Belichtung aus. „Wollen Sie mich übers Bett hängen?", fragt das Mädchen in Suses Garten. „In Lebensgröße und Technicolor", sagst du; „bist du inzwischen draufgekommen, an welchem Punkt im religionsleeren Raum Cicero seinen Tugendbegriff aufgehängt hat? Gestern abend sind wir ja darum bis zum Eisbewuchs vor deiner Gartentür gestanden." „Du -? Wir -? Was reden Sie da, Sie müssen mich verwechseln, Mister, ich kenne Sie nicht." „Na, Suse, und hast du gar kein Bauchkribbeln danach, mich wieder kennenzulernen? Es war doch eine ganz talentierte Zeit." „Wie kommen Sie auf meinen Namen? Ich heiße nämlich wirklich Susemarie."' „Das ,Marie' ist eine Neuerung von dir, du hast dich immer nur Suse genannt." „Suse allein - das ist meine Mutter." „Ist sie da?" „Sie ist einkaufen."

Nachdem du Susemarie, die sich Mann und Kind wünscht, beide Wünsche zu erfüllen versucht hast, machst du noch mit Hilfe des Minox-Blitzgerätes ein paar Aufnahmen von der Ermatteten. „Maria! Was blitzt da?", fragt entsetzt Susemaries Mutter. „Wir", sagt Susemarie, und ihr stellt euch der Suse als taufrisches Paar vor, du deine Blöße artig mit Susemaries geknülltem Hemdchen deckend. „Das ist eine Tragik", sagt Suse, „ich habe dir vor dreiundzwanzig Jah-ren alle Chancen gegeben, habe unter meinem minzgrünen Kleid nichts angehabt, damals an dem Abend, als wir von Ciceros Tugendbegriff philosophierten; und du hast diskutiert, diskutiert, und ich habe mich verkühlt und später geheiratet, und das ganze Leben war im großen und ganzen Mist." „Bei mir auch", sagst du. „Und jetzt schnappst du statt mir meine Susemarie", sagt Suse. „Ich möchte noch gern mit dir reden", sagst du. „Susemarie, bitte, geh ins Susemariezimmer hinauf und mach dort noch etwas für die Schule", sagt Suse. „Ja, aber verführ mir meinen Mann nicht, altes Kraut", sagt Susemarie und gibt dir einen weichen parfumierten Kuß an den Mundrand.

„Schön", sagt Suse, nachdem du auch von eurer Nacht Minoxbilder gemacht hast, „das war für die frühe Großmutterwürde, die du mir auf den Hals hetzt, ein erfreulicher Ausgleich.  Ich  fühle   mich  sechzehn.  Wulst  du  nicht  mich heiraten?" Sie liegt zum Unterschied von Susemarie in Nachtwäsche und ist kein bißchen matt. Beim Traubenplündern hat sie vor dreißig Jahren ein Hund unterm Rock gebissen. Die Stelle ist rosig und glänzt. Der Neuschneewind versucht, euch traurigzustimmen. „Schau, alle die gemeinsamen Erinnerungen haben ja doch nur wir zwei", sagt Suse; „und ist nicht jetzt, wo du im echten, wirklichen Susebett steckst, ein Wunsch erfüllt, der deine ganze Jugend lilagemacht hat? Ich sag dir was: Susemarie ist ein erstaunlich modernes Mädchen. Sie wird bestimmt auf jeden Vorschlag eingehen."  - (met)

 

Versäumnis

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme