Nachbarschaftsgeräusch   Da war auch noch Mr. Fenshaw.

Tagsüber nahm er seine Anwesenheit überhaupt nicht wahr. Der alte Herr hatte das Zimmer nebenan mit einer zweiten Tür, die ebenfalls zu der für Gregory so verfüh-rerisdien Terrasse führte. Zwischen zehn und elf Uhr abends, manchmal aber erst nach elf, waren jenseits der Wand, welche die beiden Zimmer trennte, gleichmäßige Klopfgeräusche zu hören. Bisweilen satte und volltönende, dann wiederum klang es dumpf, als klopfe jemand mit einem Holzhammer die Wände ab. Darauf folgten andere akustische Phänomene. Anfänglich hatte er den Eindruck, ihre Vielfalt sei unerschöpflich, aber er irrte sich. Bereits nach einem Monat wußte er, daß die Anzahl der häufigsten Geräusche nicht mehr als acht betrug.

Nach dem einleitenden Geklopfe ertönte dort hinter der Wand mit der Röschentapete ein hohles Echo, so, als werde ein hölzernes Rohr oder ein Fäßchen über den nackten Fußboden gerollt. Es gab energische, wenn auch gedämpfte Erschütterungen des Bodens wie das Tappen nackter Füße, wenn jemand bei jedem Schritt stehenbleibt und sein ganzes Körpergewicht auf die Fersen verlagert; dann ein Klatschen oder eher unangenehmes, schnelles Patschen, als schlüge jemand mit der flachen Hand auf eine ballonför-mige, feuchte, vielleicht auch mit Luft gefüllte Oberfläche; dann wiederum ein abgehacktes Zischen und schließlich Laute, die einfach schwer zu beschreiben waren. Bald ein unentwegtes Rascheln, das von Zeit zu Zeit von einem blechernen Knallen unterbrochen wurde, dann wiederum ein energisches, kurzes Knallen wie von einer Fliegenklatsche oder auch etwas wie das Springen allzu straff gespannter Saiten bei einem Musikinstrument. Diese Geräusche traten in sehr ungleichmäßiger Reihenfolge auf, manche fehlten sogar einige Abende hintereinander, bis auf diese gedämpften Erschütterungen, die Gregory als das Tappen nackter Füße identifiziert hatte. Die fehlten niemals und wenn sie sehr dicht aufeinanderfolgten, konnte man ein Konzert von besonderer Vielfalt und Intensität erwarten. Die meisten dieser Geräusche und Töne waren nicht besonders laut, aber Gregory, der im dunklen Zimmer unter der Bettdecke lag und auf die hohe, unsichtbare Zimmerdecke starrte, schien es bisweilen, daß sie sein Gehirn in Schwingungen versetzten.  - Stanislaw Lem, Die Untersuchung. Frankfurt am Main 1978

Nachbarschaft Geräusch


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