usterhund
Die wohl ausgefallensten Behauptungen, die ein Hundeliebhaber je
aufstellte, stammen von Jakob Locher, einem Nürnberger Gelehrten, der im selben
Jahr geboren und im selben Jahr gestorben ist wie Dürer. Auch er hat Italien
bereist und stand in enger Beziehung zum deutschen Humanismus. Er war Celtis-Schüler
und hat Brants Narrenschiff ins Lateinische übertragen. Dieser
angesehene Gelehrte widmete schließlich den Einband seiner Kleinen Schriften
aus dem Jahre 1506 seiner Hündin Scaramella. Auf einem
Holzschnitt wacht sie darüber, daß das Werk weder von Mäusen zerfressen noch
von einem Narren verbrannt wird. Wachsam steht sie unter einer griechischen
Inschrift, die sie, wenn man ihrem Herrn glauben darf, lesen konnte und die
besagt, alles werde sich zum Guten wenden; wie könnte es bei einer Hündin wie
Scaramella auch anders sein. Gegenüber stehen lateinische Verse, angeblich von
ihrer »Hand«: ein Selbstportrait der brillanten, treuen Hündin in Worten; Locher
muß die Verse allerdings übersetzt haben, behauptet er doch, ihre Lieblings-Sprache
sei Griechisch gewesen! Wie so mancher von Dürers humanistischen Einfällen geht
auch Lochers Hundetext auf eine italienische Quelle zurück, nämlich auf Leon
Battista Albertis Canis aus dem Jahre 1441, eine spöttische Lobrede auf
die zahlreichen Vorzüge seines Hundes, der als seines Vorfahren Megastomo (Großmaul)
würdig gepriesen wird. Der Hund dieses früheren Gelehrten
war noch musterhafter als der Lochers: ein Meister aller Freien Künste und Tugenden,
dazu mutig und talentiert; wahrlich ein Himmelshund, der mit nichts Geringerem
begabt war als dem Streben nach moralischer Weisheit. - Colin Eisler, Dürers Arche Noah. Tiere und Fabelwesen im Werk
von Albrecht Dürer. München 1996 (zuerst 1991)