uslim,
schlaffer
Scharkân sagte bei sich: 'Jeder Zufall
hat seinen Grund. Es war doch nur mein Glück, daß mich der Schlaf überfiel und
das Roß mich hierher trug; vielleicht sollen diese Maid und die anderen, die
bei ihr sind, noch meine Beute werden.' Also ging
er zu seinem Pferd, saß auf und spornte es an; da schoß es mit ihm dahin wie
ein
Pfeil vom Bogen. In der Hand hielt er sein Schwert, der Scheide entblößt, und
er stieß den Kriegsruf aus: 'Allah ist der Größte!' Als die Maid ihn sah, sprang
sie auf und faßte am Ufer des Baches, der sechs volle Ellen breit war, festen
Fuß und sprang mit einem einzigen Satz auf die andere Seite; dort richtete sie
sich hoch auf und rief mit lauter Stimme: ,Wer bist du, Bursche, daß du unser
Vergnügen störst, und das mit gezücktem Schwert,
als griffest du ein Heer an? Woher kommst du, und wohin gehst du? Rede wahr,
denn die Wahrheit wird dir mehr Nutzen bringen; lüge nicht, denn Lügen ist die
Art gemeiner Kerle! Kein Zweifel, du bist heute nacht vom Wege abgeirrt, daß
du an diesen Ort kamst, von dem das Entrinnen für dich die beste Beute wäre;
denn du stehst hier auf einer Wiese, auf der uns viertausend Ritter zu Hilfe
kommen, wenn ich nur einen einzigen Schrei ausstoße. Sag an, was willst du;
Wünschest du, daß wir dich auf den rechten Weg bringen, so wollen wir es tun;
oder wünschest du Hilfe, so wollen wir sie dir gewähren.' Als Scharkân ihre
Worte hörte, erwiderte er: ,Ich bin ein Fremder und ein Muslim, und ich bin
heute nacht allein ausgezogen, um nach Beute zu suchen. Doch keine schönere
Beute konnte ich in dieser mondhellen Nacht finden als die zehn Mädchen da;
die will ich nehmen und mit ihnen zu meinen Gefährten heimkehren.' Da sprach
sie: 'Wisse, daß du keine Beute erreichst; die Mädchen sollen, bei Gott, niemals
deine Beute werden. Sagte ich dir nicht, daß die Lüge gemein ist?' Er antwortete:
,Der Weise ist's, der sich an anderen eine Warnung nimmt.' Sie darauf: ,Beim
Messias, fürchtete ich mich nicht davor, deinen Tod auf dem Gewissen zu
haben, ich stieße einen Schrei aus, der die Wiese mit Schlachtrossen und Helden
wider dich füllen würde; aber ich habe Mitleid mit dem Fremdling. Wenn du jetzt
also Beute willst, so fordere ich dich auf, von deinem Rosse abzusteigen und
mir bei deinem Glauben zu schwören, daß du dich mir nicht mit irgendeiner Waffe
nahen willst, und dann wollen wir ringen, ich und du. Wenn
du mich niederwirfst, so setze mich auf dein Roß und nimm uns alle als Beute;
aber wenn ich dich werfe, so habe ich Gewalt über dich. Schwöre mir das, denn
ich fürchte deinen Verrat, und es ist ein bekannter Spruch: Wo Verrat ist angeboren,
da ist jedes Vertrauen verloren! Wenn du also schwören willst, so will ich hinüberkommen
und zu dir treten.' Scharkân, der schon begierig war, sie zu fangen, sprach
bei sich: ,Sie weiß nicht, daß ich ein gewaltiger Held
bin.' Und so rief er ihr zu: .Nimm mir einen Eid ab, wie du ihn willst und für
bindend hältst, daß ich dir mit nichts nahe, bis du bereit bist und sagest:
Tritt herzu, auf daß ich mit dir ringe! Dann erst werde ich dir nahen. Wenn
du mich niederwirfst, so habeich Geld, um mich loszukaufen; und wenn ich dich
werfe, so ist mir das die schönste Beute!' Das Mädchen sprach:,Ich bin es zufriedcn!'
Scharkân aber erstaunte darüber und sagte: ,Beim Propheten - Allah segne ihn
und gebe ihm Heil!-, auch ich bin es zufrieden!' Da sprach sie: 'Schwöre mir
bei Ihm, der das Leben in den Körper gegeben und von dem die Menschheit ihre
Gesetze bekam, du wollest, wenn du mir mit Bösem nahest, außer zum Ringkampf,
sterben ohne den Glauben des Islam!' Scharkân erwiderte: ,Bei Allah, wenn mich
ein Kadi vereidigte, und wäre er auch der Oberkadi, er würde mir keinen solchen
Eid auferlegen!' Dann schwor er es ihr bei allem, was sie verlangte, und band
sein Roß an einen Baum; doch er war versunken in ein Meer von Gedanken und sprach
zu sich selber: .Preis sei Ihm, der sie aus einem Tropfen
verächtlichen Wassers schuf!' Darauf gürtete er sich und machte sich bereit
zum Ringkampf und rief der Maid zu: ,Komm über den Fluß zurück!' Sie rief darauf:
,Nicht an mir ist es, zu dir zu kommen; wenn du willst, so komm du zu mir!'
,Das kann ich nicht', sprach er; und sie: ,O Jüngling, ich komme zu dir.' Dann
schürzte sie ihren Saum und sprang zu ihm auf die andere Seite des Flusses hinüber;
und er trat zu ihr und beugte sich vor und klatschte in die Hände. Doch ihre
Schönheit und Lieblichkeit machte ihn verwirrt; denn er sah eine Gestalt, die
durch die Hand der Allmacht mit den Farbblättern der Feen gefärbt und von der
Hand der Vorsehung gepflegt war, die der Zephir des Glückes geküßt und deren
Geburt einst ein glücklicher Stern begrüßt. Nun trat die Maid zu ihm und rief
ihn an: ,O Muslim, herbei, und laß uns ringen, ehe der Morgen anbricht!' und
streifte den Ärmel von einem Arm in die Höhe, der frischem Rahm gleich war,
so daß die ganze Wiese durch seine Weiße hell ward; und Scharkân war geblendet.
Doch wieder beugte er sich vor und klatschte in die Hände; sie tat das gleiche,
und so packten sie einander. Beide umfaßten und umschlangen einander und rangen.
Doch als seine Hand auf ihren schlanken Rumpf glitt und seine Fingerspitzen
die weichen Falten ihres Leibes berührten, da wurden seine Glieder schlaff,
er stand da wie vom Unglück gerüttelt, sein Leib war wie vom Fieber geschüttelt,
er begann zu zittern wie das persische Rohr im
brausenden Sturm. Da hob sie ihn auf und warf ihn zu Boden und setzte sich auf
seine Brust, mit Hinterbacken, die Sandhügeln
glichen; und seine Seele verlor die Herrschaft über seinen Verstand. Sie fragte
ihn: ,O Muslim! Christen zu töten gilt bei euch als erlaubt; was sagst du nun
dazu, wennich dich töte?' Er entgegnete:,O Herrin,was du davon sagst,du könntest
mich töten, ist unerlaubt; denn Mohammed, unser Prophet, - Allah segne ihn und
gebe ihm Heil! - hat uns verboten, Frauen und Kinder, Greise und Mönche zu erschlagen!'
,Wenn eurem Propheten solches offenbart ist,' sprach sie, ,so ziemt es sich,
daß wirGleiches mit Gleichem vergelten. Stehauf! Ich schenke dir dein Leben.
Denn eine Wohltat istnicht verloren an denen, die vom Weibe geboren.' Dann erhob
sie sich von seiner Brust; Scharkân stand auf und schüttelte den Staub von
seinem
Kopfe gegen die Geschöpfe aus der krummen Rippe.
Doch sie neigte ihr Haupt und sprach zu ihm: 'Schäme dich nicht! Wie aber
ist es möglich, daß einer, der in das Land der Griechen zieht auf der Suche
nach Raub und der Königen wider Könige helfen will, nicht Kraft genug hat, um
sich gegen ein Geschöpf der krummen Rippe zu wehren?' Darauf entgegnete er:
,Das geschah nicht aus Mangel an Kraft bei mir! Du hast mich nicht durch deine
Kraft zu Boden geworfen, nein, deine Schönheit hat mich besiegt. Wenn du mir
einen zweiten Gang gewähren willst, so wäre das ein Geschenk deiner Gunst.'
Sie lachte und sprach: ,Ich erfülle dir diesen Wunsch; aber die Mädchen da sind
lange gefesselt gewesen, und ihre Arme und Seiten sind müde, und es ist nur recht,
daß ich sie löse, denn der neue Gang wird vielleicht länger dauern.' Darauf
trat
sie zu den Mädchen, löste ihre Fesseln und sagte zu ihnen in griechischer Sprache:
,Geht an einen sicheren Ort, bis dieses Muslims Verlangen nach euch sich legt!'
Jene gingen davon, während Scharkân ihnen nachsah; aber sie blieben da, wo sie
den beiden zuschauen konnten. Dann traten die beiden Gegner aufeinander zu,
und er stemmte seine Brust gegen ihre, doch als sein Leib ihren Leib berührte,
da verließ ihn seine Kraft; und als sie das merkte, hob sie ihn schneller als
der blendende Blitz und warf ihn zu Boden. Er fiel auf den Rücken, und sie sprach
zu ihm: 'Steh auf! Ich schenke dir dein Leben zum zweiten Male. Das erste Mal
verschonte ich dich um deines Propheten willen, da er nicht erlaubt hat, Frauen
zu töten; das zweite Mal tue ich es um deiner Schwäche und deiner jungen Jahre
willen, und weil du ein Fremdling bist; aber ich fordere dich auf, wenn es in
dem muslimischen Heere, das 'Omar ibn en-Nu'mân ausgesandt hat, um dem König
von Konstantinopel zu helfen, einen gibt, der stärker ist als du, so schicke
ihn zu mir und sage ihm von mir! Denn im Ringkampf gibt es verschiedene Arten,
Künste und Kniffe, wie die Finte, den Vorgriff, den Armgriff, den Fußgriff,
den Schenkelbiß, den Fußstoß und den Beinverschluß.' Da rief Scharkân, während
ihm der Zorn gegen sie schwoll: ,Bei Allah, meine Herrin, wäre es Meister es-Safadi
oder Meister Mohammed Kaimâl oder Ibn es-Saddi in seiner Glanzzeit. Ich würde
diese Künste, von denen du sprichst, nicht beachten. Doch du, o Herrin, hast
mich - bei Gott ! - nicht durch deine Kraft besiegt, sondern als du mir durch
dein Gesäß die Sinne bestricktest; denn wir Männer aus Mesopotamien lieben den
vollen Schenkel sehr, und so blieb mir weder Verstand noch Einsicht, Aber wenn
du willst, so sollst du jetzt mit mir ringen, während ich meinen Verstand bei
mir habe; dies ist nun der letzte Gang für mich nach den Regeln der Kunst; auch
habe ich nun meine Frische zurückgewonnen.' Als sie seine Worte hörte, sprach
sie: ,Was erwartest du noch von diesem Ringen, Besiegter? Komm nur; doch wisse,
dies ist der letzte Gang!' Dann beugte sie sich vor und forderte ihn zum Kampfe
heraus; auch Scharkân beugte sich vor, und er rang mit allem Ernst und nahm
sich vor dem Unterliegen in acht; so rangen die beiden eine Weile. Die Maid
spürte eine Kraft in ihm, die sie vorher nicht bemerkt hatte, und sprach: ,O
Muslim, jetzt bist du auf der Hut.' Ja,' erwiderte er, ,du weißt, mir bleibt
nur dieser eine Gang mit dir, und danach wird ein jeder von uns seines Weges
gehen.' Da lachte sie, und auch er lachte ihr ins Gesicht; als das geschah,
griff sie ihm über den Schenkel, packte ihn unversehens und warf ihn zu Boden,
so daß er auf dem Rücken lag. Jetzt verhöhnte sie ilm mit den Worten: Bist du
ein Kleiefresser? Oder eine Beduinenkappe, die bei jeder Berührung fällt, oder
ein Vater der Winde, den ein Lufthauch umbläst; Pfui! Erbärmlicherl' Dann
fügte sie noch hinzu: ,Geh zurück zum muslimischen Heere und schicke uns andere,
als du bist; denn dir fehlt die Kraft. Laß unter den Arabern und Persern, den
Türken und Dailamiten ausrufen, wer Kraft in sich spüre, der solle zu uns kommen!'
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