undharmonika Eine Frau an einem Tisch dreht sich nach ihm um. Ihre Augen sagen ihm in einem einzigen Augenblick, was er ist. Die Mundharmonika in seiner Tasche verwandelt sich zurück in ein totes Stück Messing. In Ballast. Ein Jive-Zubehör. Trotzdem nimmt er sie überallhin mit.
In der Herrentoilette im ersten Stock vom Roseland Ballroom sinkt er über einer Kloschüssel zusammen und kotzt, erbricht Bier, Hamburgers, Röstkartoffeln, Salat nach Art des Hauses mit French Dressing, eine halbe Flasche Moxie, nach dem Essen gelutschte Pfefferminzbonbons, eine Rippe Clark-Schokolade, ein Pfund gesalzene Erdnüsse und die Kirsche vom Old-Fashioned eines Radcliffe-Mädchens. Und plötzlich, ohne Warnung, während noch Tränen aus seinen Augen strömen, PLOPP fällt die Mundharmonika, uarrgh!, ins ekle Klo! Sogleich perlen kleine Luftbläschen um ihre verchromten Flanken und über die braunen Holzflächen, die teils noch glanzlackiert, teils abgewetzt sind von der Berührung der Lippen, winzige Silberkörner, die sich loslösen und die Tauchfahrt der Harmonika säumen, hinab in den steinbleichen Muttermund und schwarze Nacht...
Eines Tages wird ihn die amerikanische Armee mit Hemden ausstatten, deren
Taschen er zuknöpfen kann, aber noch herrscht Vorkrieg, noch muß er sich auf
die Wäschestärke verlassen, die die Brusttasche seines schneeweißen Arrow-Hemdes
so versteift, daß nichts ... Aber nein, du Trottel, nein, sie ist gefallen,
die Mundharmonika, erinnere dich! Soeben schlagen ihre tiefsten Zungen einen
kurzen Ton an, während sie am Porzellan entlangstreift (irgendwo prasselt Regen
gegen ein Fenster und eine blecherne Lüftungsklappe draußen: kalter Bostoner
Regen), dann verstummt auch dieser Leierklang im Wasser, auf dem noch letzte
gallig-braune Schlieren seiner Kotze treiben. Keine Möglichkeit, sie zurückzurufen.
Er muß die Mundharmonika aufgeben, seine silberhelle Hoffnung auf Gesang, oder
er muß ihr folgen. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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