Mund, schlafender Warum hockst du jetzt da unten, sagte sie leise, und siehst in die Röhre ...

Mir fiel keine Antwort ein, ich schaute weiter auf den gekrümmten Riß, der sich unter einem kleinen Hügel um Handbreite nach unten zog, bis er verschlossen wurde von einer Naht, an deren Ende sich, zwischen Wölbungen versteckt, noch einmal eine Öffnung ergab. Suchend kehrten meine Augen zurück zu dem Schlitz, der einem schlafenden Mund glich; seine Lippen waren geschlossen und hingen wie in atemloser Trockenheit zusammen. Mit der Zeit erst, scheinbar in einem Lichtfleck, der sie vom Fenster her traf, wurden die Lippen in einem unsichtbaren, von innen wirkenden Schmelzen geschmeidiger und lösten sich einige Millimeter voneinander. Dann wurde das Licht kühler, das den Körper Maries vom Fenster her beleuchtete; ihre Haut wurde von kaum sichtbaren, nur vorstellbaren Schauern überflogen. Geblieben war ein einziger heller Reflex, die Spitze eines Lichtpfeils, der durch die Hecke stieß, und noch fragil, wie ein sichtbar gewordenes Nichts, an ihrem Leib hing, und der jetzt, da sie, unruhig geworden, sich schwach bewegte, blitzartig über sie hinweghuschte und ihr Geschlecht streifte, das nun offen war und in nackten Farben zu glänzen begann. - Wolfgang Hilbig, Der dunkle Mann. In: W.H., Der Schlaf der Gerechten. Frankfurt am Main 2003

 

Mund

 

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