ordszene  Suzy sah ihren Geliebten spöttisch an.

- Du könntest die Summe vervierfachen, verzehnfachen, und sie wäre immer noch ungenügend. Was ich dir gegeben habe, verstehst du, ist meine Liebe, meine Dankbarkeit.

- Ich weiß.

- Und das ist nicht zu kaufen, du Feigling. Diese Beschimpfung verwandelte Donna, der sich bis dahin sehr gelassen gezeigt hatte. Seine Augen glänzten. Ein böser Ausdruck malte sich auf seinem Gesicht.

- Mich hast du feige genannt?

-Ja, feige, feige, feige. Denn es ist Feigheit, so zu handeln, wie du es tust. Verstehst du mich? Feigheit. Du nutzt es aus, daß du der Stärkere bist... Du hast dich lieben lassen, du hast alles getan, um meine Liebe immer stärker werden zu lassen, und plötzlich reist du ab, gestehst, daß du die Absicht hast zu heiraten... Feigling, Feigling... Elender Feigling.

Donna faßte einen bronzenen Briefbeschwerer und preßte ihn wütend in der Hand, aber er beherrschte sich. Dann wurde sein Gesicht plötzlich wieder sanft.

- Reden wir nicht mehr davon, ja, sagte er mit ruhiger Stimme. Ich gehe einen Augenblick hinaus. Mach dich inzwischen fertig.

Mit diesen Worten öffnete er die Tür des Zimmers und verschwand. Allein zurückgeblieben, verharrte Suzy für einige Augenblicke in so vollkommener Unbeweglichkeit, daß man während einiger Sekunden den Eindruck hatte, der Film stehe still. Dann überkam sie ein Anfall von Verzweiflung. Mit wirren Haaren lief sie kreuz und quer, verbarg dabei manchmal das Gesicht in den Händen, so daß sie gegen die Möbel stieß. Plötzlich faßte sie sich wieder. Sie hob den Kopf wie ein in die Enge getriebenes Tier und ging ins Badezimmer. Durch die offene Tür sah man bald eine nackte Schulter, bald einen Arm. Dann hörte man leises Plätschern.

Einen Augenblick später trat Donna wieder ins Zimmer. An seinem Jackenaufschlag waren zwei Orden befestigt. Sehr aufrecht, das Monokel im Auge, sichtlich bemüht, seiner Erscheinung die größtmögliche Würde zu geben, trat er ins Badezimmer.

- Sieh her, sagte er und zeigte mit dem Finger auf seine Orden. Wagst du nun noch einmal zu sagen, daß ich ein Feigling bin?

- Und wenn du den ganzen Körper damit bedeckt hättest, Feigling, würde ich es wieder sagen, schrie Suzy außer sich.

Dieses Mal verlor Donna völlig die Kontrolle über sich. Wie ein Automat näherte er sich der Wanne, packte die junge Frau an der Kehle und drückte, drückte. Sie fing an zu schreien, sich zu wehren. Die Kamera war so plaziert, daß man nur den Rücken des Täters sah. Bald setzte sie sich in Bewegung, kreiste um die Badewanne. Die Mordszene war nun in all ihrem Schrecken zu sehen. Wassergarben spritzten in alle Richtungen. Donna preßte immer noch Suzys Kehle zu. Bald wehrte sie sich mit weniger Kraft. In einem Aufleuchten jedoch sah man deutlich, wie eine verkrampfte Hand die Orden ergriff, abriß und umschlossen hielt, dann fiel Donnas Monokel in die Badewanne. Darauf erhob sich die Kamera, so daß sie die ganze Szene beherrschte. Auf dem Grund der Wanne lag ein lebloses Geschöpf, die Beine beinahe ganz an der Brust. Niedergeschmettert, mit herabhängenden Armen betrachtete Donna sein Werk. Plötzlich ging die Kamera nah an die Szene des Verbrechens heran. Als sie kaum noch einen Meter entfernt war, sah man, wie Donna eine Hand zum Gesicht führte, sich dann hinkauerte und seine Arme ins Wasser tauchte, ohne sich auch nur Zeit zu nehmen, die Jacke auszuziehen oder die Ärmel hochzukrempeln, wie er angstvoll sein Monokel suchte und sich dann anstrengte, der geschlossenen Hand der Toten die Orden zu entreißen, die sich noch darin befanden. - Emmanuel Bove, Der Mord an Suzy Pommier. Frankfurt am Main 1993 (Fischer Tb. 11658, zuerst 1933)

Film Mord
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