oment, unpassender Jed hämmerte mindestens zwei Minuten lang in strömendem Regen an die Tür, ehe Houellebecq ihm öffnete. Der Autor der Elementarteilchen trug einen gestreiften grauen Schlafanzug, in dem er beinahe einem Sträfling aus einer Fernsehserie glich; sein Haar war zerzaust und schmutzig, das Gesicht vom Alkohol gerötet, und er stank ein bisschen. Die Unfähigkeit, sich zu waschen, ist eines der sichersten Anzeichen für eine Depression, erinnerte sich Jed.
»Es tut mir leid, dass ich im unpassendsten Moment zu Ihnen komme, ich weiß, dass es Ihnen nicht sehr gut geht. Aber ich bin derart ungeduldig, mit Ihrem Porträt anzufangen ...«, sagte er und setzte ein Lächeln auf, von dem er hoffte, dass es entwaffnend war. »Entwaffnendes Lächeln« ist ein Ausdruck, den man noch in einigen Romanen antrifft und der daher einer gewissen Realität entsprechen muss. Aber Jed hatte leider nicht das Gefühl, dass er selbst naiv genug war, um sich durch ein Lächeln entwaffnen zu lassen, und Houellebecq war es, wie er vermutete, auch nicht. Der Autor von Der Sinn des Kampfes wich allerdings einen Meter zurück, also gerade weit genug, um Jed zu erlauben, sich vor dem Regen unterzustellen, ohne ihn jedoch wirklich hereinzubitten.
»Ich habe eine Flasche Wein mitgebracht. Einen guten Tropfen!«, rief Jed mit leicht gezwungener Begeisterung, in etwa so, wie man Kindern Karamellbonbons anbietet, und zog sie dabei aus seiner Reisetasche. Es war ein Château Ausone 1986, eine Flasche, die ihn immerhin 400 Euro gekostet hatte - so viel wie ein Dutzend Flüge von Paris nach Shannon mit Ryanair.
»Nur eine Flasche?«, fragte der Autor von Die Suche nach Glück und reckte
den Hals, um das Etikett besser erkennen zu können. Er stank ein bisschen, aber
nicht so stark wie ein Kadaver - letztlich hätte alles noch schlimmer sein können.
Dann drehte er sich wortlos um, nachdem er die Flasche gepackt hatte, und Jed
fasste dieses Verhalten als Einladung auf. - Michel Houellebecq, Karte und Gebiet. Köln 2011
|
||
|
|
|