odell
Das Leben«, murmelte Kiki, »ist au fond so begrenzt,
so ohne Möglichkeit zu neuen Frivolitäten, so diabolique« - sie
hebt ihre Mandarinaugen, mit Kohlestift abgeschrägt -»daß man
im Besitz einer Maus sein muß, einer kleinen
weißen Maus, n'est-ce pas, um sie zwischen Cocktails und thé
umherlaufen zu lassen.«
Das meistbegehrte Modell vom Montparnasse hält das kleine,
warme, flinke Etwas, das sie auf ihren rotlackierten Fingern
trägt, in Richtung Boulevard Raspail, wo es ohne Vorurteile und
ohne etwas über die Annehmlichkeiten von ›Gut und Böse‹ zu wissen,
mit aufmerksamen, funkelnden Augen alle Menschen anstarrt. Eine
Andeutung der gleichen Unbekümmertheit ist in den Augen von Kiki
zu finden, die mit anderen reizvollen Modellen kam und Frankreich
eroberte. - (
barn
)
Modell (2) Ich bin das »lebendige Modell«
neben meinem Klumpen, der langsam Form annimmt, beide im Banne
von hundert um sie herumwirbelnden Gebärden und Ausbrüchen der
Künstlerin: eben ist sie hartnäckig am Werke und ganz verschlossen,
befaßt sich mit der Einzelausführung; nun ist sie entfesselt
und voller Lebhaftigkeit, fliegt in einem Satze vom Tun zum Sehen
und vom Sehen zum Neubeginnen. Plötzlich hält sie ein, geht näher
hin, tritt ein Stück zurück, steht in regloser Anspannung da,
ohne Atem, harte Falten auf der Stirne. Ich will reden...
Man gebietet mir Schweigen. Man schaut
mich an, als sei ich ein Ding. Man lächelt,
aber was man anlächelt, das bin nicht ich. Es ist meine Nase,
an der man endlich einen gewissen kleinen »Zug« zu entdecken
kam, worin, wie es scheint, das Geheimnis der Individualität
dieses Vorsprungs seinen Sitz hat. Doch der nun ganz dunkle Blick
haftet fester, wird noch härter; er wird dem des Degenfechters
gleich, dessen bohrendes Auge die Lücke
in der Deckung des Gegners ausmacht. Der Gegner, das bin ich.
- Paul Valéry, Über Kunst. Frankfurt am Main 1959
(BS 53, zuerst ca. 1935)
Modell (3)
Modell (4) Wenn die «Out-of-body»-ErIebnisse so intensiv erscheinen, daß sie die betreffende Person in diesem Moment für real hält, dann muß das daran liegen, daß auch unsere als normal empfundene Realität in Wahrheit nur ein mentales Modell ist, eine Repräsentation der Welt, die das Gehirn von Moment zu Moment neu erzeugt. Dies erklärt beispielsweise auch das intensive Erleben während veränderter Bewußtseinszustände, bei denen Menschen das Gefühl haben, in andere Welten zu reisen, in eine andere Wirklichkeit einzutauchen. Doch Thomas Metzinger geht noch einen Schritt weiter: Muß diese Schlußfolgerung dann nicht auch für die Wahrnehmung unseres eigenen Ich gelten? Ist der unauslöschliche Eindruck, eine Person zu sein, möglicherweise auch nur ein Modell?
«Es gibt genug gut dokumentierte Befunde aus der Neuropsychologie, die genau
dies belegen», sagt Metzinger, «von den Phantomschmerzen, die amputierte Patienten
zu spüren vermeinen - nein, tatsächlich spüren, bis hin zu Phänomenen wie Neglect
oder Anosognosie.» In seiner Habilitationsschrift Subjekt und Selbstmodell
führte Metzinger 1993 seine Theorie erstmals detailliert aus. Sein Grundgedanke
lautet dabei, stark vereinfacht: Das Gehirn ist ein
informationsverarbeitendes System. Sämtliche Wahrnehmungen
- auch die innerer emotionaler Zustände - werden zu einer Repräsentation der
Welt zusammengefügt, die in sich möglichst geschlossen und logisch konsistent
ist. Dazu gehört auch die Selbstwahrnehmung des Körpers.
Das Gehirn macht sich ein Modell des Körpers, das dessen Bedürfnissen angepaßt
ist. Das könnte auch eine Erklärung für psychosomatische Erkrankungen liefern.
«Hat man zum Beispiel Magenkrämpfe, dann wirkt das Gehirn auf das vegetative
Nervensystem ein. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn das Gehirn eine Karte
des eigenen Körpers gespeichert hat, so daß die Reaktion auch an die richtige
Stelle gelangt.» Die Abbildung im Gehirn ist allerdings nicht maßstabsgetreu.
Es kommt nicht darauf an, daß das geistige Modell völlig mit der äußeren Realität
übereinstimmt, entscheidend ist, daß es ein sinnvolles Reagieren erlaubt. - (
kopf
)
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