Mitternachtsessen   So lang ich hier im land bin, hab ich mich an das essen, so sie hier essen, welches mit lauter speck und kein bisschen butter ist, nicht recht gewohnen können und derhalben nie gar viel gessen; wie ich aber nach Versaillen kommen, hab ich mehr exercitien getan als zu Paris, und bin derowegen auch hungericher gewesen, als vor diesem. Also hab ich vergangen freitag, nachdem ich den ganzen tag spazieren war gangen, nachts nach mitternacht zu nacht, welches man medianoche hier heißt, gessen, welchs man tut, damit man fleisch essen darf. Monsieur hat mit dem König medianoche gehalten und ich hab mit meinen leuten gessen; der König aber hat sein essen viel eher bekommen, als ich; derhalben wie wir am halben essen waren, kam Monsieur schon nach haus, wir aber aßen fort, und wie ich braven hunger hatte, aß ich mich so dick, daß ich mich nicht rühren konnte, und mußte darauf gleich nach bett gehen mit vollem magen. Dieselbe ganze nacht war ich zwar nicht krank, aber schwitzte die ganze nacht wie ein tanzbeer; den sambstag mittag war ich so spät aufgestanden, daß ich nicht zu mittag essen konnt und derowegen abends wieder so einen schrecklichen hunger hatte, daß ich mich wieder ganz dick gessen, mußte auch gleich druf schlafen gehn, weil Monsieur schrecklich zahnpein hatte. Dieselbe nacht hab ich schreckliche hitz gegricht, daß ich die ganze nacht nicht hab schlafen können, und gegen morgen wieder geschwitzt und dabey abscheulich kopfwehe. Ich ließ mir aber nichts merken, sondern stund auf und tat mich an und ging mit dem König in die meß wie ordinari; aber im hin und her gehn dacht ich, daß mein köpf vor pein verspringen sollte. Sobald ich in der Königin gemach kam, fragte mich die Königin und alle damens, was mir fehlte, daß ich so traurich aussehe? Ich sagte aber, ich hette die nacht nicht wohl geschlafen und were schläferig. Wie ich an tafcl kam, fing der König gleich an zu rufen: »Wie secht ihr so schrecklich übel aus, ich glaub, ihr habts fieber.« Ich blieb aber bestendig drauf, ich wer schläferich. Der König trauete aber nicht, sondern ließ mir den puls durch der Königin doktor, so da stund, fühlen, welcher versicherte, daß ich kein fieber hette, aber ich konnte kein bissen essen, sondern der geruch von essen war mir zuwider. Sobald ich vom essen aufstund, sagt mir Monsieur und der König, ich sollte in mein kammer gehn schlafen, ob vielleicht mir besser werden würde. Ich ging in kammer und ließ die Hinderson3 rufen; die hielte mir den ganzen tag den köpf; ich schlief ein stund oder 3, darnach tat mir mein kopf noch viel weher als zuvor. Abends kam der König zu mir und fühlt mir den puls und den köpf und sagt, ich hette ein innerlich fieber; der Königin doktor aber sagte, ich hette gar kein fieber. Endlich wollten sie mich überreden, ich sollte ein clistier nehmen, welches ich nicht tun wollte; der König aber wollt nicht weg gehn, bis ich ihm versprochen, daß ich mich zu bette legen wollte und ein clistier nehmen. Darauf fing ich an so übel zu werden, daß, so oft ich auf den stuhl ging, welchs 3 mal geschehen, hab ich mich allemal 4 mal übergeben. Damit kam der doktor und fühlte mir den puls und sagte, daß ich das fieber nun rechtschaffen hette. Derselbe acces hat 24 stund geweret. Andern tags bin ich hierher gefahren und hat mich das fieber umb 8 abends angestoßen und habe es bis 10 andern morgen gehabt und haben mir wieder clistiere geben. Sie haben mir mit aller gewalt wollen aderlassen und medicin geben, aber ich hab durchaus nicht gewollt. Endlich wie sie keinen rat mehr mit mir gewußt, hat der König und Monsieur kommen wollen; einer hat mir wollen den arm, der ander die ander hand und den kopf mit aller gewalt halten, aber zu allem glück hat mich eine Jungfer besucht, welche verursacht, daß man mir nicht gelassen (ihr versteht mich wohl). Seyder dem hab ich gar kein fieber mehr gehabt, auch kein schmerzen mehr; das schlimmste aber ist, daß mich hungert und vor morgen darf ich nicht essen, weilen man noch lauert, ob es kein 4tägig fieber geben will. Heute haben sie mir wieder ein clistier geben, sonstens geben sie mir gottlob nichts, als alle 4 stund ein schüssel voll kälbersaft, wie sie es heißen, welches etwas besser ist als fleischbrühe.

Dieses ist die ganze relation von meiner krankheit. Hinfüro will ich besser in acht nehmen und nicht so viel fressen.  - (lis)

 

 Mahlzeit Mitternacht

 

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