ittag  Der Mittag war drückend heiß, keine Wolke war zu sehen. Die Sonne hing regungslos am Himmel und versengte das Gras. Die Luft hatte zu flimmern aufgehört und stand unbeweglich. Kein Baum, kein Wasser rührte sich; über Dorf und Flur lag panische Stille; alles war wie ausgestorben. Klar und weit tönte die menschliche Stimme durch das Schweigen. Noch in zwanzig Saschen Entfernung war zu hören, wie ein Käfer fliegt und summt und wie jemand im dichten Gras unentwegt schnarcht, als hätte er sich hingelegt, um ein süßes Nickerchen zu machen.

Auch im Haus herrschte Totenstille. Es war die Zeit des allgemeinen Schlafes nach dem Mittagessen gekommen.

Der Knabe sah, wie sich alle — Vater, Mutter, die alte Tante und die gesamte Suite — in ihren Winkel zurückzogen; und von denen, die keinen solchen hatten, ging einer auf den Heuboden, ein anderer in den Garten, ein dritter suchte Kühlung im Flur, und wieder ein anderer bedeckte das Gesicht mit dem Taschentuch, um vor den Fliegen sicher zu sein, und schlief dort ein, wo ihn die Hitze erschöpft und das ausladende Mahl niedergeworfen hatte. Auch der Gärtner streckte sich unter einem Strauch im Garten neben seiner Harke aus, und der Kutscher schlief im Stall.

Ilja Iljitsch warf einen Blick in die Gesindestube: dort lagen alle auf der Ofenbank, auf den Bänken, auf dem Fußboden und im Flur, während die Kinder sich selbst überlassen waren; die Kinder krochen auf dem Hof umher und spielten im Sand. Auch die Hunde hatten sich tief in ihren Hütten versteckt, da sie niemanden anzubellen hatten.

Man hätte durch das ganze Haus gehen können, ohne einer Menschenseele zu begegnen; man hätte mit Leichtigkeit alles ringsherum stehlen und auf Fuhrwerken vom Hof transportieren können: niemand hätte einen daran gehindert, wenn es nur Diebe in dieser Gegend gegeben hätte.

Es war ein alles verschlingender, durch nichts zu besiegender Schlaf, ein wahrhaftiges Abbild des Todes. Alle lagen wie gestorben da, nur aus den Winkeln drang ein vielstimmiges Schnarchen in allen Tonarten und Stimmlagen.

 Ganz ausnahmsweise hob jemand im Schlaf den Kopf, schaute verständnislos und erstaunt nach rechts und links, warf sich auf die andere Seite oder spuckte, ohne die Augen zu öffnen, aus und schmatzte mit den Lippen oder murmelte etwas in seinen Bart und schlief wieder ein.

Ein anderer hingegen sprang, ohne alle einleitende Vorbereitungen, mit beiden Beinen von seinem Lager hoch, als ob er fürchtete, wertvolle Minuten zu verlieren, packte den Kwaßkrug, blies die unbeweglich obenauf schwimmenden Fliegen an den anderen Rand — worauf diese, in der Hoffnung, ihre Lage verbessern zu können, sich energisch zu rühren anfingen —, netzte seine Kehle und ließ sich wieder, wie erschossen, auf das Bett fallen. - Ivan Gontscharov, Oblomov. Frankfurt am Main 1961 (EC 25, zuerst 1859)

Mittag (2) Zwei- oder dreimal bleibt er stehen, um sich die Schweißperlen abzuwischen, nicht natürlich, dieser Schweiß, es ist fast wie Angst, absurde Verlassenheit mitten in einer dicht bevölkerten Stadt (sei's auch an der Peripherie), der zweitgrößten Frankreichs, und da ist ihm, als spränge plötzlich eine Kröte zwischen seine Augen, er weiß wirklich nicht mehr, wo er ist (er ist in Marseille, ja, aber wo, und dieses wo ist auch nicht der Ort, wo er ist), alles ist so lächerlich und absurd und Mittag im Midi, und da sagt ihm eine Frau, ah, der Supermarkt, gehen Sie hier weiter, dann rechts ab, dann kommen Sie auf den Boulevard, gegenüber ist Le Corbusier und gleich dahinter der Supermarkt, aber natürlich, Nachthemden ganz bestimmt, mein Mann, zum Beispiel, nichts zu danken, merken Sie sich, zuerst hier weiter und dann rechts ab.

Lukas brennen die Füße in den leichten Schuhen, die Hose ist ein unförmiger Klumpen, nicht zu reden vom Slip, der unter die Haut gedrungen zu sein scheint.  - Julio Cortázar, Ende der Etappe. Die Erzählungen Bd. 4. Frankfurt am Main 1998

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