essias   Kapitän Hart stand in der geöffneten Luftschleuse des Raumschiffes. »Warum kommen sie nicht?« fragte er.

»Wer kann das wissen?« entgegnete Martin, sein Leutnant. »Weiß ich es vielleicht, Käpt'n?«

»Jedenfalls würde ich gern wissen, wo wir hier gelandet sind.« Der Kommandant zündete sich eine Zigarre an. Er warf das Streichholz hinaus auf die in der Sonne schimmernde Wiese. Das Gras begann zu brennen.

Martin schickte sich an, das Feuer mit seinen Stiefeln auszutreten.

»Nicht«, entschied Kapitän Hart, »lassen Sie es brennen. Vielleicht kommen sie dann nachsehen, was hier geschieht.«

Martin zuckte mit den Schultern und zog den Fuß von dem sich bereits ausbreitenden Feuer zurück.

Kapitän Hart blickte prüfend auf seine Uhr. »Vor einer Stunde sind wir hier gelandet, und wo bleiben die Blaskapelle und die Leute vom Empfangskomitee, um uns die Hände zu schütteln? Nein, wirklich! Da fliegen wir Millionen Meilen durch den Weltraum, und die wackeren Bürger so einer blöden Stadt auf einem unbekannten Planeten nehmen einfach keine Kenntnis von uns!« Er schnaubte ärgerlich auf und klopfte auf seine Uhr. »Na schön! Ich gebe ihnen noch fünf Minuten Zeit, und dann . . .«

»Was dann?« fragte Martin sehr höflich und beobachtete dabei, wie die Kinnbacken des Kommandanten zitterten.

»Wir fliegen noch einmal über ihre verdammte Stadt und werden ihnen die Hölle heiß machen.« Seine Stimme wurde ruhiger. »Glauben Sie, Martin, daß sie uns vielleicht nicht haben landen sehen?«

»Sie haben uns gesehen. Sie blickten hoch, als wir über die Stadt flogen.«

»Warum kommen sie dann nicht herbeigelaufen? Verstecken sie sich? Haben sie die Hosen voll?«

Martin schüttelte den Kopf. »Nein. Nehmen Sie einmal diesen Feldstecher, Sir. Überzeugen Sie sich selbst. Sie gehen einfach alle ihrer Wege. Sie — nun ja, sie scheinen sich einfach nichts aus uns zu machen.« - Ray Bradbury, Der illustrierte Mann. München 1972 (Heyne 3057)

Messias (2)  Einmal kam  ein Student aus der Talmudschule, um sich ein Brötchen zu kaufen, und der sagte: »He, Gimpel, während du hier mit deiner Bäckerschaufel im Ofen herumkratzt, ist der Messias gekommen. Die Toten sind auferstanden.« — »Was soll das heißen?« fragte ich. »Ich habe kein Widderhorn blasen hören!« - »Bist du taub?« fragte er zurück, und alle anderen riefen in diesem Augenblick: »Wir haben es gehört, wir haben es gehört!« Dann kam Rietze, die Kerzenzieherin, in den Laden und rief mit ihrer heiseren Stimme: »Gimpel, dein Vater und deine Mutter sind aus dem Grab auferstanden. Sie suchen nach dir.«

Offen gestanden wußte ich sehr genau, daß nichts dergleichen geschehen war, aber trotzdem streifte ich mir rasch die Wolljacke über und lief hinaus. Die anderen redeten nun einmal davon, und vielleicht war wirklich etwas geschehen. Was kostete es mich schon, einmal selber nachzugucken? Ach, was für ein Gejohle da draußen plötzlich losbrach! Und dann schwor ich mir, niemals mehr etwas zu glauben. Aber das war auch nicht das Richtige. Die anderen brachten mich dermaßen durcheinander, daß ich zuletzt Groß und Klein nicht mehr unterscheiden konnte. - Isaac Bashevis Singer, nach (narr)

Messias (3)  Selbst im Innenhof eines Basler Cafés mit jüdischem Namen, »Zem Isaak«, entsprach Kinky allen Erwartungen und Klischees: Den Stetson fest auf den Schädel und die Zigarre ebenso fest zwischen die Lippen geschraubt, an den Füßen die auf Hochglanz polierten scharfen Stiefel aus Brontosaurusvorhaut und für jede Lebenslage einen, wenn nicht unbedingt passenden, so doch guten Spruch parat. »Ich habe«, sinnierte er, noch bevor ich die erste Frage gestellt hatte, und brachte die erkaltete Zigarre zum Glühen, »ich habe einige recht unheimliche Parallelen zwischen meinem Leben und dem Leben Jesu entdeckt.« Ein Klassiker aus dem unerschöpflichen Fundus wertvoller Kinky-Bonmots, bekannt und beliebt aus Büchern, Songs, Bühnenansagen, Interviews, hundert mal rezykliert, aber darob nicht schlechter: »Wir beide sind Juden, wir beide haben nie geheiratet und nie einen festen Job gehabt, und beide reisen wir im Land herum und nerven die Leute.«  - Nachwort zu: Kinky Friedman, Katze, Kind und Katastrophen. Berlin 2007 (zuerst 2002)

Messias (4)  »Herr,« rief er, und die anderen Schakale heulten auf; in fernster Ferne schien es mir eine Melodie zu sein. »Herr, du sollst den Streit beenden, der die Welt entzweit. So wie du bist, haben unsere Alten den beschrieben, der es tun wird. Frieden müssen wir haben von den Arabern; atembare Luft; gereinigt von ihnen den Ausblick rund am Horizont; kein Klagegeschrei eines Hammels, den der Araber absticht; ruhig soll alles Getier krepieren; ungestört soll es von uns leergetrunken und bis auf die Knochen gereinigt werden. Reinheit, nichts als Reinheit wollen wir,« - und nun weinten, schluchzten alle - »wie erträgst nur du es in dieser Welt, du edles Herz und süßes Eingeweide? Schmutz ist ihr Weiß; Schmutz ist ihr Schwarz; ein Grauen ist ihr Bart; speien muß man beim Anblick ihrer Augenwinkel ; und heben sie den Arm, tut sich in der Achselhöhle die Hölle auf. Darum, o Herr, darum o teuerer Herr, mit Hilfe deiner alles vermögenden Hände, mit Hilfe deiner alles vermögenden Hände schneide ihnen mit dieser Schere die Hälse durch!« Und einem Ruck seines Kopfes folgend kam ein Schakal herbei, der an einem Eckzahn eine kleine, mit altem Rost bedeckte Nähschere trug.  - (kaf)

Messias (5)  In der Stadt war ein halb Jahr Fasching. Bürger leisteten Bedeutendes an Absurdität. Ein grotesker Krampf überkam die meisten. Ein bescheidener Spaß war, sich gegenseitig die Hirnschale einzuschlagen. Die Raserei wurde dermaßen schmerzlich, daß man begann zu töten. Man begann mit einem Alten, der, als Pierrot angezogen, an einem Wegweiser bei den Füßen aufgehängt wurde.

Ein Mädchen, das noch einen Rest Vernunft besaß, schrie »hier stirbt der Allmensch«, und bat, sie gleichfalls zu hängen; denn sie sei Mörder und Gehängter schon ohnehin, dank ihrer ethischen Sensibilität.

Sie wurde unter nicht unbedeuteten Greueln beinlings gehängt. Jedoch verübelte man ihr, daß sie keine gute Unterwäsche trug. Verschiedene Messiasse traten mit Erfolg auf, Messiasse der Reinheit, der Wollust, des Pflanzenessens, des Tanzes, hypnotisierende Messiasse und einige andere. Hatte man genug Anhänger, so wurde die Sache langweilig. Überlebte Messiasse verwandte man als Redakteure, zumal ihnen Sensation geläufig war. Die neue Weltanschauung kristallisierte sich zur Ziege, die ein Bein gebrochen hat.  - (beb)

Messias (6)  Der meschiech des einen ist der meschugener des andern.

Josephus führt das Beispiel eines gewissen »Judas von Galiläa« an, der im Jahr 6 n. Z. einen Aufstand gegen die Römer anzettelte und behauptete, er sei der Messias.

Im Jahr 44 n. Z. führte ein eigenartiger Heiliger namens Theudas seine verblendeten Anhänger an den Jordan, dessen Wasser er zu teilen versprach wie einst Moses das Rote Meer. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er auch nur einen einzigen Kubikmeter Wasser verdrängte. Aber die ungläubigen Römer gingen ganz sicher: Erst kreuzigten sie ihn, dann schlugen sie ihm noch den Kopf ab.

Etwa 58 oder 59 n. Z. gelang es einem gewissen »Benjamin aus Ägypten« über fünfundzwanzigtausend Anhänger auf den Ölberg zu führen. Dort kündigte er an, er werde jetzt die Mauern Jerusalems nach der Methode Joschua zum Einsturz bringen, aber ein phantasieloser römischer Prokurator ließ die historische Versammlung auflösen. Von Benjamin »dem Gesalbten des Herrn« (wie er sich nannte) hörte man nie wieder.

Im Jahre 66 oder 67 n. Z. erklärte der Enkel des oben genannten »Judas von Galilaa«, ein gewisser Menachem, er sei der Messias. Er  bewaffnete seine Anhänger durch einen Überfall auf die Festung Massada und marschierte auf Jerusalem, um die heilige Stadt zu erobern. Auf dem Wege dorthin wurde er von überlegenen römischen Kräften gestellt und verschwand aus den Geschichtsbüchern.

Im Jahre 431 n. Z. erschien auf der Insel Kreta ein zweiter Moses, der seinen Anhängern versprach, er würde sie ins Heilige Land führen - auf direktem Wege, über das Wasser. Kurioserweise verschwand er (weder im noch über dem Wasser), während viele seiner Anhänger sowohl in ihrem Glauben als auch in den Fluten ertranken.

Im achten Jahrhundert gab es an den verschiedensten Orten Messiasse, unter anderem Abu Issa al-Isfahani in Persien, einen gewissen Severus oder Serenus in Syrien und einen ziemlich obskuren namens Yudghan in Hamadan im westlichen Persien.

Im neunten Jahrhundert erklärte ein begeisterter Eldad Ha-Dani, die verlorenen zehn Stämme Israels seien wiederentdeckt worden und das messianische Zeitalter werde beginnen. Exit Eldad Ha-Dani.

Während der Kreuzzüge, die eine endlose Folge von Massakern an unschuldigen, hilflosen Juden mit sich brachten, hatte der Erlösergedanke begreiflicherweise Hochkunjunktur. Die herausragende Gestalt war David Alroy von Mesopotamien, dessen eigentlicher Name Menachim ben Solomon war. Er war ein Führer von beträchtlicher intellektueller Statur und wurde zwischen 1135 und 1160 von Auftragskillern ermordet. Weniger glanzvolle mescbiechs gab es in Persien, Marokko, Spanien und Frankreich.

Im Jahre 1295 erschien ein Messias in Avila, Spanien. Sein Name war Nissim ben Abraham. Er kündigte an, er werde die Erlösung am letzten Tag des Monats Tammus beginnen. Ein sofortiges Massenfasten begann, und das persönliche Eigentum wurde verschenkt. Ekstatisches Beten erfüllte die Straßen, während die Gläubigen ungeduldig auf den Anbruch von Gottes Königreich warteten. - (ji)

 Messianismus Erlöser

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Heiland