enschheitsbeglückung
Wir haben es vierundsechzigtausendfünfhundertunddreizehnmal versucht. Die Haare
stehen mir noch heute auf jedem meiner Köpfe zu Berge, wenn ich an die Resultate
denke. Wahrlich, für das Wohl und Wehe unserer Mitkreaturen haben wir keine
Mühe gescheut. Wir bauten eine Spezialapparatur zur Telespektroskopie der Träume;
wie du jedoch ohne weiteres einsehen wirst, sahen wir unsere Aufgabe nicht darin
— wenn zum Beispiel auf einem Planeten ein Religionskrieg tobte, und die eine
Seite nichts sehnlicher wünschte, als die andere zu massakrieren -, alle Träume
in Erfüllung gehen zu lassen. Es ging somit darum, das Glück zu
schaffen, ohne Höhere Normen zu verletzen. Das Problem wurde zusätzlich durch
den Umstand kompliziert, daß sich die meisten Zivilisationen in den tiefsten
Tiefen ihres Herzens nach Dingen sehnen, zu denen sie sich öffentlich niemals
bekennen würden. Folglich entstand ein neues Dilemma:
Sollten wir sie bei den Zielen unterstützen, die sie mit einem Rest an Schamgefühl
und Anstand verfolgten, oder sollten wir ihre ureigensten, tief im Herzen verborgenen
Wünsche erfüllen? Nimm zum Beispiel die Dementianer und die Amentianer. Die
Dementianer verbrannten in ihrer mittelalterlichen Frömmigkeit alle auf dem
Scheiterhaufen, die mit dem Teufel paktiert hatten, in erster Linie Frauen.
Sie taten das zum einen, weil sie ihnen die mit dem Satan genossenen Wonnen
mißgönnten, zum anderen, weil sie entdeckt hatten, daß Folterungen im Namen
des Rechts ein außerordentliches Vergnügen sein konnten. Die Amentianer wiederum
verehrten nichts außer ihrem eigenen Körper, den sie mit Maschinen in wollüstige
Erregung brachten, und diese Beschäftigung, wenngleich in Maßen ausgeübt, stellte
ihr Hauptvergnügen dar. Sie hatten Glaskästen, vollgestopft mit diversen Vergewaltigungen,
Morden und Feuersbrünsten, deren Anblick ihren sinnlichen Appetit nur noch mehr
anregen sollte. Wir warfen über ihrem Planeten eine Unzahl von Spezialapparaturen
ab, die so konstruiert waren, daß sie alle geheimen Sehnsüchte und Begierden
befriedigten, ohne irgend jemandem zu schaden; dies geschah in der Weise, daß
für jedes Individuum eine gesonderte künstliche Realität geschaffen wurde. Fünf
Wochen dauerte es bei den Dementianern, immerhin sechs bei den Amentianern,
dann waren sie alle vor lauter Wonne zugrundegegangen;
ein ekstatisches Stöhnen aus Millionen Kehlen begleitete
ihren Todeskampf. - Stanislaw Lem, Altruizin. In: Phantastische Welten, Hg.
Franz
Rottensteiner. Frankfurt am Main 1984 (Phantastische Bibliothek 137)
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