Menschenwürde   Seine 'Autonomie des Willens' leitet Kant auf den Begriff der Würde des Menschen. Diese nämlich beruht bloß auf dessen Autonomie, und besteht darin, daß das Gesetz, dem er folgen soll, von ihm selbst gegeben ist, - also er zu demselben in dem Verhältniß steht, wie die konstitutionellen Unterthanen zu dem ihrigen. - Das möchte als Ausschmückung des Kantischen Moralsystems immerhin dastehn. Allein dieser Ausdruck »W ürde des Menschen«, ein Mal von Kant ausgesprochen, wurde nachher das Schiboleth aller rath- und gedankenlosen Moralisten, die ihren Mangel an einer wirklichen, oder wenigstens doch irgend etwas sagenden Grundlage der Moral hinter jenen imponirenden Ausdruck »Würde des Menschen« versteckten, klug darauf rechnend, daß auch ihr Leser sich gern mit einer solchen Würde angethan sehn und demnach damit zufrieden gestellt seyn würde. Wir wollen jedoch auch diesen Begriff etwas näher untersuchen und auf Realität prüfen. - Kant definirt Würde als »einen unbedingten, unvergleichbaren Werth«. Dies ist eine Erklärung, die durch ihren erhabenen Klang dermaaßen imponirt, daß nicht leicht Einer sich untersteht, heranzutreten, um sie in der Nähe zu untersuchen, wo er dann finden würde, daß eben auch sie nur eine hohle Hyperbel ist, in deren Innerem, als nagender Wurm, die contradictio in adjecto nistet. Jeder Werth ist die Schätzung einer Sache im Vergleich mit einer andern, also ein Vergleichungsbegriff, mithin relativ, und diese Relativität macht eben das Wesen des Begriffes Werth aus. Schon die Stoiker haben richtig gelehrt: Der Wert ist das Entgelt für ein Abgeschätztes, nach der Schätzung eines Experten; wie wenn man sagt, man tauscht Weizen gegen Gerste mitsamt dem Esel. Ein unvergleichbarer, unbedingter, absoluter Werth, dergleichen die Würde seyn soll, ist demnach, wie so Vieles in der Philosophie, die mit Worten gestellte Aufgabe zu einem Gedanken, der sich gar nicht denken läßt, so wenig wie die höchste Zahl, oder der größte Raum.

»Doch eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein.«

[Faust I, 1995-96.]

So war denn auch hier an der »Würde des Menschen« ein höchst willkommenes Wort auf die Bahn geworfen, an welchem nunmehr jede, durch alle Klassen der Pflichten und alle Fälle der Kasuistik ausgesponnene Moral ein breites Fundament fand, von welchem herab sie mit Behagen weiter predigen konnte.   - Schopenhauer, Preisschrift Über die Grundlage der Moral

Menschenwürde (2) Ein jeder Mensch hat rechtmäßigen Anspruch auf Achtung von seinen Nebenmenschen, und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden anderen verbunden,

Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch so gar von sich selbst) bloß als Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden und darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit), dadurch er sich über alle andere Weltwesen, die nicht Menschen sind, und doch gebraucht werden können, mithin über alle Sachen erhebt. Gleichwie er also sich selbst für keinen Preis weggeben kann (welches der Pflicht der Selbstschätzung widerstreiten würde), so kann er auch nicht der eben so notwendigen Selbstschätzung anderer, als Menschen, entgegen handeln, d. i. er ist verbunden, die Würde der Menschheit an jedem anderen Menschen praktisch anzuerkennen, mithin ruht auf ihm eine Pflicht, die sich auf die jedem anderen Menschen notwendig zu erzeigende Achtung bezieht. - Kant, Metaphysik der Sitten

 

Würde

 

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