1) Soll ohne Zweifel ein fuchsisches Menschenangesicht andeuten, denk'
ich - und nun giebt's fürs erste - gewiß keine solche Gesichter; keine
solche Disproportion der Nasenlänge und der Kinokürze - und wenn's so ein
Gesicht gäbe - wo noch die Aehnlichkeit mit dem Fuchse?
2) Und beynah
eben das müssen wir von dem eselischen Gesichte 2. sagen - Fürs erste ist
der Esel selbst ohne eigentlichen Charakter seiner Natur; denn die Stirn
des Eseis in der Natur ist viel runder.
Fürs zweyte kann, den Mund
ausgenommen, kein Gesicht so aussehen, wie das beystehende Menschengesicht
- beson ders ist die Entfernung des Auges von der Nase, mit der Entfernung
des Mundes von dieser verglichen - offenbar unmenschlich und thierisch.
- Fürs dritte ist das Ohr weder eselig noch menschlich - wie's unnatürlich
ist in seiner Richtung!
In 3. und 4. suche die Aehnlichkeit
wer will - vermuthlich wollte der Verfasser sie in der Nasenspitze
finden.
5) Abermal ein Menschengesicht zur Schaafheit erniedrigt.
So Stirnlos ist kein Mensch, wie das Schaaf. So ist kein Menschenauge im
Profil - so wenig als das Schaafauge so erscheinen kann.
6) Löwenmuth
mag dieß Gesicht wohl haben; aber der Löwe hat
nicht die aufrechtstehende Stirne des Mannes. Die gevierte Stirne ist sicherer
Wohnplatz fester Stärke - aber unser Löwe ist nach
dem Manne, nicht der Mann nach dem Löwen geformt! In beyden ist der untere
Theil der Nase unnatürlich; das ist, heterogen mit
der breiten gevierten Gesichtsform. In beyden sind die Augen unwahr. Im
Mannsgesichte offenbar zu weit von einander entfernt; und so fehlt auch
dem Munde sein Charakteristisches gänzlich. -
(lav)
Menschentiere (2)
- Michelangelo Buonaroti
Menschentiere (3)
Morgentöne Guten Morgen! schreit das Menschentier; Guten Morgen! schreit auch der Tyrann; An den Weltrand will ich heute gahn; Guten Morgen! schreit der Kriegersmann; Guten Morgen schreit man dort und hier; Und mancher Schuft trinkt jetzt noch Bier; |
- Paul Scheerbart, Katerpoesie (1909)
Menschentiere (4) H.
G. Wells richtete 1896 dem Doktor Moreau auf einer Insel eine Experimentierstation
ein. Dort, im »Haus des Schmerzes«, pflanzte der Biologe Tieren ein menschliches
Gehirn ein. Aus Bullen, Affen und Löwenmännchen werden Tiermenschen. Nicht alle
Kreaturen erwiesen sich als lebenstüchtig und viele
wurden rückfällig. Einigen jedoch schien die Flucht zu gelingen, und sie setzten
sich in die westliche Welt ab. Das vermutete der Mann, der Augenzeuge der Untersuchungen
und Experimente war; als er nach England zurückkehrte, traf er überall auf Wesen,
die ihn an die Kreaturen von Doktor Moreau erinnerten. - (
loe2
)
Menschentiere (5)
"Wolf, Schaf, Fuchs, Ochs, Ziege"
- H.W. Tischbein, nach: Otto Baur, Bestiarium Humanum. Gräfeling vor München 1974
Menschentier (6)
Es heißt, daß das Menschentier zu Beginn aller Dinge, als es frisch von Gott
geschaffen worden war, über eine Straße wanderte, wo es dem Weltentier begegnete
und es mit ihm aufzunehmen wagte. Mitten im Kampf bemerkte das Menschentier,
daß das Weltentier ein Weibchen war, was den Kampf
für den Menschen gefährlich und ungleich machte. Aber es war zu spät. Mit ihren
weiblichen Zauberkünsten umstrickte Frau Welt das Menschentier, verzauberte
es und verkleinerte es schließlich so sehr, daß es in einen Menschen verwandelt
wurde, und dann, als der Mensch, verglichen mit ihr, nur noch so groß war wie
ein Floh, ließ sie ihn in ihren Pelz entkommen, damit
er dort angekrallt leben solle wie eine Zecke. Und deshalb
leben wir alle jetzt so; angekrallt, saugen wir der Welt das Blut aus und irren
auf ihrem Pelz umher. - (stein)
Menschentier (7) Ich sah Peter Lannicks hübsches, qualvolles Gesicht vor mir, und ich dachte, er ist eine Frau honoris causa mit seiner verschlagenen Art, falsch wie eine Schlange, mit den ausdruckslosen Augen einer Schlange.
Daß ich diese Ähnlichkeit zwischen
Peter Lannick und einer Schlange entdeckt hatte, befriedigte mich, und so nahm
ich mir im Geist auch meine übrigen Bekannten und Freunde vor und suchte nach
Vergleichen. Charles mit seinem schmalen Gesicht und seinem weichen braunen
Haar und seinen ehrlichen erstaunten Augen war ein Reh.
Was war die kalte, selbstsichere, falsche, glatte Aspik? Vielleicht ein eleganter,
gefährlicher Fisch, ein Hecht oder Schwertfisch.
John hatte die Plumpheit, Bekümmert-heit und intelligente Kraft eines Gorilla;
und Maggie - was für einem Tier glich Maggie? Je mehr ich über Maggie nachdachte,
desto mehr entzog sie sich dieser simplen Einordnung; sie mochte ungehobelt
sein, eine Nervensäge, egoistisch, aufdringlich, unvernünftig, doch sie war
ein durch und durch menschliches Wesen, und daß es sie gab, konnte für die Welt
nur von Vorteil sein. Vielleicht ist sie eine Heilige, dachte ich, sprang in
Gedanken versunken über einen kleinen Seitenarm des Baches, der den Pfad kreuzte,
und landete knietief im Schlamm; jeder weiß, daß es schwer ist, mit Heiligen
zusammenzuleben. Heilige und Frauen; ohne sie wäre es auf der Welt leichter.
- Joan Aiken, Die Kristallkrähe. Zürich 1974