enschenhaß    Der Menschenhaß bezahlt sich heute zu teuer. Um zu hassen, wie man ehemals den Menschen gehaßt hat, timonisch, im ganzen, ohne Abzug, aus vollem Herzen, aus der ganzen Liebe des Hasses — dazu müßte man aufs Verachten Verzicht leisten: — und wieviel feine Freude, wieviel Geduld, wieviel Gütigkeit selbst verdanken wir gerade unserem Verachten! Zudem sind wir damit die "Auserwählten Gottes": das feine Verachten ist unser Geschmack und Vorrecht, unsere Kunst, unsere Tugend vielleicht, wir Modernsten unter den Modernen! ... Der Haß dagegen stellt gleich, stellt gegenüber, im Haß ist Ehre, endlich:

im Haß ist Furcht, ein großer, guter Teil Furcht. Wir Furchtlosen aber, wir geistigeren Menschen dieses Zeitalters, wir kennen unseren Vorteil gut genug, um gerade als die Geistigeren in Hinsicht auf diese Zeit ohne Furcht zu leben. Man wird uns schwerlich köpfen, einsperren, verbannen, man wird nicht einmal unsere Bücher verbieten und verbrennen. Das Zeitalter liebt den Geist, es liebt uns und hat uns nötig, selbst wenn wir es ihm zu verstehen geben müßten, daß wir in der Verachtung Künstler sind; daß uns jeder Umgang mit Menschen einen leichten Schauder macht; daß wir mit aller unserer Milde, Geduld, Menschenfreundlichkeit, Höflichkeit unsere Nase nicht überreden können, von ihrem Vorurteile abzustehen, welches sie gegen die Nähe eines Menschen hat; daß wir die Natur lieben, je weniger menschlich es in ihr zugeht, und die Kunst, wenn sie die Flucht des Künstlers vor dem Menschen oder der Spott des Künstlers über den Menschen oder der Spott des Künstlers über sich selber ist...  - (frw)

Menschenhaß (2)   Flaubert betrachtete die Dummheit sozusagen als Feindin, die darauf erpicht war, ihn zu foltern, und verfolgte sie mit Wut, wie ein Jäger seine Beute verfolgt, und traf sie noch im Unterschlupf der größten Geister. Zum Aufspüren der Dummheit war ihm der feine Geruchssinn eines Jagdhundes gegeben, und sein scharfes Auge fiel darauf, ob sie sich in den Spalten einer Zeitung oder zwischen den Zeilen eines schönen Buches verbarg. Manchmal war er so verzweifelt, daß er am liebsten das ganze Menschengeschlecht ausgerottet hätte.

Der Menschenhaß seiner Werke rührt von nichts anderm her. Der bittere Geschmack, den sie hervorrufen, ist nichts anderes als die beständige Feststellung der Mittelmäßigkeit, der Banalität, der Albernheit in allen ihren Gestalten. Er zeichnet sie auf jeder Seite, fast in jedem Absatz, durch ein Wort, eine einfache Andeutung, durch den Akzent einer Szene oder eines Dialogs. Er erfüllt den intelligenten Leser mit einer trostlosen Trauer über das Leben. Das grundlose Unbehagen, das viele Leser der «Education sentimentale» empfunden haben, war nur das unwillkürliche Gefühl von dieser ewigen Erbärmlichkeit der Gedanken, wenn man sie in ihrer ursprünglichen Nacktheit zur Schau stellt. - Guy de Maupassant, Gustave Flaubert. Nach: G. F., Madame Bovary. Zürich 1967

 

Haß

 

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