enschenfreund
Im Jahre 1517 bewies der Padre Bartolomé de las Casas großes Erbarmen mit den
Indios, die sich in den Marterhöllen der Goldgruben auf den Antillen abquälten;
er schlug dem Kaiser Karl V. vor, Neger einzuführen,
die sich in den Marterhöllen der Goldgruben auf den Antillen abquälen sollten.
Dieser wunderlichen Nuance eines Menschenfreundes verdanken wir eine Unmenge
von Tatsachen: die Blues von W. C. Handy, den Erfolg, den in Paris der uruguayische
Maler und Doktor Don Pedro Figari errang, die schöne wildwüchsige Prosa des
gleichfalls uruguayischen Don Vicente Rossi, die mythologische Größe Abraham
Lincolns, die fünfhunderttausend Toten im Sezessionskrieg, die dreitausenddreihundert
Millionen, die an Militärpensionen ausgezahlt wurden, das Denkmal des Phantasiehelden
Falucho, die Aufnahme des Verbs »lynchen« in die dreizehnte Ausgabe des Wörterbuches
der Akademie, den stürmischen Film Halleluja, den von Soller vorgetragenen Bajonettangriff
an der Spitze seiner Pardos y Morenos im Cerrito, die Anmut eines gewissen Fräulein
Soundso, den Neger, den Martin Fierro ermordete, die klägliche Rumba El Manisero,
den verhafteten und eingelochten Napoleonismus des Toussaint Louverture, Kreuz
und Schlange auf Haiti, das Blut der von der Machete des papaloi geschlachteten
Ziegen, die Habanera, Mutter des Tango, den Candombe. - J. L.Borges, Universalgeschichte der Niedertracht,
nach (
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)
Menschenfreund
(2) Gefangennahmen sind Mode: Nach dem Fall der Eingesperrten
von Poitiers enthüllen die Zeitungen den Fall eines Einundachtzigjährigen, der
von seinen Kindern gefoltert wurde. Wir persönlich haben Kenntnis von der authentischen
Geschichte eines anderen Greises, der vor ein paar Jahren einen bekannten Maler
und Philanthropen, Monsieur H. R.***, um Barmherzigkeit anrief. Dieser entlauste
ihn, kleidete ihn ein, ließ ihn bei sich wohnen, gab ihm gut zwei Monate lang
Speis und Trank, während denen der Beherbergte sich als fast genauso sanft und
umgänglich erwies wie der Alte vom Meer, der sich an Sindbad den Seefahrer klammerte,
mit dem einzigen Unterschied, daß er ein Säufer war, der zuviel vertrug, so
daß nicht daran zu denken war, ihn sich mit Hilfe von ausgepreßten Trauben in
einer Kürbisflasche vom Halse zu schaffen. Als Monsieur H. R.*** ihm auf die
milde Tour nahezulegen versuchte, sich eine andere Unterkunft zu suchen, wurde
der Gast ungehalten und drohte, beim Rat der Weisen (wieso beim Rat der Weisen?)
Klage einzureichen als einer, der während zwei Monaten GEFANGENGEHALTEN und
am Arbeiten gehindert worden sei. Er gab erst Ruhe, als er eine bestimmte Summe
erhalten hatte, die ihm erlaubte, bis ans Ende seiner Tage in ehrenhaften und
wohlangesehenen Verhältnissen zu leben. - Alfred Jarry, Die grüne Kerze.
Spekulationen. Frankfurt am Main 1993
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