Menagerie

 

- Milo Manara

Menagerie (2)   Malvina Sol war eines jener Wesen, die das Unglück grausam hartnäckig mit seiner Liebe verfolgt. Am Tage, da sie getauft wurde, starb ihr die Mutter. Schon beim Offertorium war ihr so übel, als sie zur ersten Kommunion ging, daß sie den Leib des Herrn im Bett empfangen mußte. Und in ihrer Hochzeitsnacht endlich rief eine Unpäßlichkeit, die recht zur Unzeit sich einstellte, bei ihrem Mann jene schlechte Laune hervor, die sie niemals versiegen sah.

Sie war immer etwas zu groß gewesen für ihr Alter, und die Nase, die Hände und Füße noch etwas größer als das übrige, eines gewissen törichten Gehabens nicht zu gedenken, das an ihrer ganzen Person zum Ausdruck kam und das sie stets noch dümmer als den Dümmsten unter den Anwesenden, er mochte so durnm sein, wie er wollte, erscheinen Keß, vor allem, wenn ihr Mann dabei war, obwohl sie nicht dümmer war als irgendeine andere auch. Sobald Sol da war, wußte Malvina nicht mehr, wohin mit sich und ihrer Stimme, noch wie sie ihre Gliedmaßen rings um sich verteilen sollte; sie kamen ihr abhanden, ihr riesiges verträumtes Eselshaupt wankte hin und her, die Beine spreizten sich wie bei einem obszönen Tier, und sie neigte sich vornüber, als wollte sie an den Boden fallen, um auf allen vieren weiterzulaufen.

Sol, ihr Mann, ein schöner Bursche, frisch und vergnügt, wenn er sie auch nicht gerade schlug (mißhandelte er sie, sobald sie allein waren?), hatte doch vor den ändern sich immer über sie lustig gemacht, und man hätte glauben sollen, er halte nur deshalb all diese Katzen, Mäuse, Hunde, Kaninchen, Hühner, Enten und ein Gürteltier in Verschlagen längs der Hauswand vor dem Schuppen, wo Malvina in ihrer Küche hauste, um, wenn er einen Besucher hereinführte, noch unter der Türe regelmäßig zu sagen:

«Ich will Ihnen meine Menagerie vorführen. Das sind meine Hunde, meine Katzen, meine Kaninchen, meine Hühner, meine Enten, mein Gürteltier und...» die Stimme in der Schwebe haltend, da in diesem Augenblick Malvina unfehlbar in der Tür zu ihrer Höhle erschien:

«. .. meine Eselin

Dann setzte sie ein mechanisches Lächeln auf, verlor mit einemmal ihre armen Hände, ihre Füße und ihren Blick irgendwo zwischen Himmel und Erde, um sie erst wiederzufinden, wenn sie wieder allein war.   - Marcel Jouhandeau, Malvina oder Das ist Watte. In: M. J., Chaminadour. Reinbek bei Hamburg 1964

 

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