eister  Der Student Doko kam zu einem Zen-Meister und sagte: „Ich suche die Wahrheit. In welchem Geisteszustand muß ich mich üben, damit ich sie finde?"

Der Meister sprach: „Es gibt keinen Geist, also kannst Du ihn auch nicht in einen Zustand versetzen. Es gibt keine Wahrheit, also kannst du dich nicht in ihr üben."

„Wenn es keinen Geist zu üben und keine Wahrheit zu finden gibt, warum hast Du all diese Mönche, die sich jeden Tag vor Dir versammeln, um Zen zu studieren und sich in diesen Studien zu üben?"

„Aber ich habe doch nicht einen Zoll Platz hier" sprach der Meister, „wie könnten sich also die Mönche versammeln? Ich habe keine Zunge, wie könnte ich sie also regelmäßig zusammenrufen und sie unterweisen?"

„Oh, wie kannst Du nur so lügen?" fragte Doko.

„Wenn ich aber keine Zunge besitze, mit der ich zu anderen reden könnte, wie kann ich dich dann anlügen?" fragte der Meister.

Darauf sagte Doko traurig: „Ich kann Dir nicht folgen, ich kann Dich nicht verstehen."

„Ich kann mich selbst nicht verstehen", sagte der Meister. - (hof)

Meister (2) In den vierziger Jahren führte der holländische Psychologe Adriaan de Groot Untersuchungen durch, wie Schach-Anfänger und Schachmeister eine gegebene Stellung im Schach wahrnehmen. Auf den einfachsten Nenner gebracht, implizieren seine Ergebnisse, daß die Meister die Aufstellung der Steine in Ballungen wahrnehmen. Es gibt eine Beschreibung auf höherer Stufe als einfach „e5, schwarzer Turm d6", und irgendwie stellt sich der Meister ein solches Bild des Brettes vor. Bewiesen wurde das durch die große Geschwindigkeit, mit der ein Meister die Stellung in einem Spiel reproduzieren kann, verglichen mit der schwerfälligen Rekonstruktion des Anfängers, nachdem beide fünf Sekunden lang aufs Brett geblickt hatten. Außerordentlich aufschlußreich war die Tatsache, daß die von den Meistern begangenen Fehler darin bestanden, daß sie ganze Gruppen von Steinen an den falschen Platz stellten, was das Spiel strategisch fast unverändert ließ, in den Augen der Anfänger aber ein völlig anderes war. Endgültig überzeugend war die Durchführung desselben Experiments, aber mit Zufallsverteilung der Figuren auf dem Brett anstelle einer tatsächlich gespielten Partie. Die Meister waren, wie man herausfand, bei der Rekonstruktion solcher Zufallsstellungen einfach nicht besser als die Anfänger. - (hof)

Meister (3) Bei den anderen Meistern, die ich noch kannte, bestand die ganze Kunst darin, jede nur denkbare dramatische Situation zu vermeiden. Unnötig zu sagen, daß sie es in ihrem Beruf nie zu großen Leistungen gebracht haben; aber deswegen sollte man sie nicht geringschätzen. Sie waren bescheiden, sie kannten ihre Grenzen. Ihre eigenen Lehrmeister hatten das heilige Feuer nicht der Obhut ihrer nüchternen Fingerfertigkeit anvertraut. Ich erinnere mich noch besonders gut an einen von ihnen. Inzwischen hat er sich ganz von der See zurückgezogen, die sein Temperament zum Schauplatz einer ziemlich friedsamen Beschäftigung gemacht hatte. Nur ein einziges Mal hat er einen verwegenen Streich gewagt. Das war an einem frühen Morgen, als wir mit stetigem Wind eine von Schiffen wimmelnde Reede ansteuerten. Was er hierbei zeigte, war nicht echt, obgleich das Manöver ein Meisterstück hätte werden können. Er dachte dabei nur an sich und wollte den verführerischen Ruhm einer auffallenden Leistung ernten.

Bei klarem Wetter hatten wir eine in Sonnenschein getauchte, dunkel bewaldete Landspitze umrundet, als etwa eine halbe Meile voraus eine Menge vor Anker liegende Schiffe in Sicht kam. Er rief mich von meiner Station vorn auf der Back nach achtern, und während er fortgesetzt mit seinen braunen Händen an seinem Kieker hin- und herdrehte, sagte er: »Sehen Sie das große schwere Schiff dort mit den weißen Untermasten? Zwischen ihm und der Küste will ich zu Anker gehen. Sorgen Sie dafür, daß die Leute fix in Gang kommen, wenn es soweit ist.«

Ich antwortete »Jawohl, Kapitän« und glaubte wirklich, es würde ein glänzendes Manöver werden. In einem großartigen Stil brausten wir drauflos und mitten durch die Flotte hindurch. Es muß allerhand offenstehende Mäuler und hinter uns her starrende Augen an Bord dieser Schiffe gegeben haben - es waren Holländer, Engländer, darunter ein paar Amerikaner und ein oder zwei Deutsche -, die alle um acht Uhr, als geschähe es unsrer Ankunft zu Ehren, ihre Flaggen gesetzt hatten. Es hätte eine großartige Vorstellung werden können, wenn alles klargegangen wäre. Aber das tat es nicht. Durch eine selbstsüchtige Regung war dieser bescheidene Künstler, der gewiß seine Verdienste hatte, seinem eigentlichen Wesen untreu geworden. Er übte die Kunst nicht der Kunst wegen, sondern um seiner selbst willen aus, und ein bedrückender Fehlschlag war die Strafe, mit der er für die größte aller Sünden büßen mußte. Es hätte sogar noch weit schlimmer ausgehen können, und nur dem Zufall war es zu verdanken, daß wir weder unser Schiff auf Strand setzten noch dem großen Schiff mit den weißen Untermasten ein stattliches Loch in die Seite rammten. Und ein Wunder war es, daß wir nicht beide Anker und Ketten verloren, denn man kann sich vorstellen, daß ich keine Sekunde zögerte, als er mir mit bebenden Lippen und einer zitternden, ganz fremden Stimme den Befehl zurief: »Fallen Anker!« Ich ließ sie beide mit einer Geschwindigkeit fallen, die mich heute noch in Erstaunen versetzt. Noch nie sind die Anker eines normalen Handelsschiffes mit solch wunderbarer Eleganz zu Wasser gegangen. Und beide hielten sie. Aus Dankbarkeit hätte ich ihre rauhen, kalten Eisenflunken küssen mögen, wenn sie nicht in zehn Faden Wasser unter schleimigem Schlick begraben gewesen wären. In letzter Minute drehte das Schiff vor beiden Ankern auf, wobei der Klüverbaum einer holländischen Brigg unsem Besan durchbohrte - schlimmer kam es nicht. Und mit knapper Not entrinnen ist immerhin entrinnen!

Aber nicht in der Kunst. Hinterher meinte der Meister kleinlaut: »Sie wollte nicht rechtzeitig anluven. Was war bloß mit dem Schiff los?« Ich antwortete ihm nicht. Doch die Antwort war klar. Das Schiff hatte die flüchtige Schwäche seines Herrn gespürt. Von allen lebenden Geschöpfen an Land und auf See lassen sich nur die Schiffe nicht vom leeren Schein betrügen, lassen sie allein sich keine minderwertige Kunst von ihren Meistern gefallen. - (con)

Meister (4)  Der Fürst von Sche erkundigte sich bei Dse-lu über den Meister.

Dse-lu antwortete nicht darauf.

Der Meister sprach: Warum hast du ihm nicht gesagt, er ist ein Mensch, der im Eifer des Studierens zu essen vergißt; der, wenn er Grund zur Freude hat, vergißt, daß es auch Grund zur Trauer gibt, und der nicht merkt, daß ihm das Alter immer näher rückt. - (kung)

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