ediziner  Clemenceau ist ein Mediziner. Und danach sollte er fein und human sein. Er ist es aber nicht, er kümmert sich eben nicht um solche Redensarten, weil er sie selbst fabriziert. Die Mediziner sind im Gegenteil furchtbar abgebrüht, zwei Drittel Rohlinge und die übelsten Witze stammen von ihnen. Marat war auch Arzt, er hatte ein sehr wirksames Wasser gegen die Schwindsucht erfunden, stieß aber im Verlauf seiner Studien auf die Guillotine. Verblüfft ließ er das Wasser; er wußte wie man der Menschheit auf die Beine hilft, der Kopf war überflüssig, er machte von nun an begeistert in Chirurgie. Clemenceau übertraf seinen Kollegen. Er erkannte den Dilettantismus. Man braucht keine Guillotine, um Menschen zu enthaupten, man setzt Ideen in die Welt, für den «friedlichen Kampf der Geister». - Alfred Döblin (Mediziner), nach (poot)

Mediziner (2)

Beschneidung

 

Ägyptisches Relief von 2500 v. Chr. Die Szene zeigt die Beschneidung junger Männer, eine verbreitete, aber auch schmerzhafte Sitte, wie aus der Inschrift hervorgeht: Der Arzt zur Linken sagt zu seinem Assistenten: »Gib acht, daß er nicht ohnmächtig wird.«

 - (erf)

Mediziner (3)  Unter anderem machte ich die Bekanntschaft eines Arztes, welcher mit der Natur und dem System des Regierens vollkommen bekannt zu sein schien. Diese ausgezeichnete Person richtete seine Studien auf einen sehr nützlichen Zweck, auf die Erfindung von Mitteln, welche allen Krankheiten und Verderbnissen abhelfen würden, denen Staatsverwaltungen durch Laster und Schwächen des Regierenden, wie durch Zügellosigkeit der Gehorchenden unterworfen ist. Zum Beispiel, da alle Schriftsteller und Philosophen einstimmig zugestehen, es finde sich eine Ähnlichkeit zwischen dem natürlichen und politischen Körper, so ist es klar, daß die Gesundheit beider erhalten und die Krankheit beider durch dieselben Rezepte kuriert werden muß. Es ist bekannt, daß große Versammlungen häufig durch überflüssige, aufbrausende und andere schädliche Säfte belästigt werden, daß man Krankheiten des Kopfes und noch häufiger des Herzens bei ihnen beobachtet; daß starke Konvulsionen der Nerven und Sehnen in beiden Händen, besonders aber in der rechten Faust, bei ihnen stattfinden; daß sie an Milzbeschwerden, an Blähungen, Schwindel und Delirien leiden; daß sie skrofulöse Geschwülste voll faulem Eiter hätten; daß sie an saurem und stinkendem Aufstoßen, an falschem Heißhunger, schlechter Verdauung und an den anderen Übeln krank sind, deren Erwähnung hier nutzlos sein würde. Der Doktor machte deshalb den Vorschlag, sobald man im Senat zusammenkomme, sollten Ärzte bei den drei ersten Versammlungen gegenwärtig sein und nach dem Schlusse einer jeden Sitzung den Puls der Senatoren untersuchen; nachdem sie hierauf die Natur der Krankheit und die Gegenmittel reiflich beraten, sollten sie am vierten Tage, vom Apotheker begleitet, welcher die passende Medizin mitbringen würde, in den Versammlungssaal zurückkehren. Bevor alsdann die Sitzung beginne, sollten den Parlamentsmitgliedern Beruhigungspillen, Abführ- und Reinigungsmittel, Brechmittel, Corrosiva, Astringentia, Palliativa, Acustica und dgl. gereicht werden, wie dies die besonderen Fälle erforderten; je nach der Wirkung dieser Medizin sollten alsdann diese Mittel bei der nächsten Sitzung wiederholt, verstärkt oder weggelassen werden. --(gul)

Mediziner (4) Genaugenommen wisse man nicht, ob das sein wirklicher Name sei. Nach den Unterlagen des Heiligen Offiziums sei er ein portugiesischer Jude, von der iberischen Halbinsel verbannt und hier unter dem Schutz eines dankbaren Gouverneurs, dem er einen zweipfündigen Hodenbruch mit den reinigenden Wässern von Turbaco geheilt hatte. Der Pater sprach über Abrenuncios magische Rezepturen, von der Hoffart, mit der er den Tod voraussagte, von seiner mutmaßlich päderastischen Veranlagung, von seiner libertinen Lektüre, von seinem Leben ohne Gott. Der einzige konkrete Vorwurf jedoch, der gegen ihn vorlag, war, einen Flickschneider aus Getsemani wiedererweckt zu haben. Ernst zu nehmende Zeugen hatten ausgesagt, daß dieser bereits im Totenhemd im Sarg gelegen hatte, als Abrenuncio ihm befahl aufzustehen. Zum Glück bestätigte der Wiedererweckte selbst vor dem Heiligen Offizium, daß er in keinem Augenblick das Bewußtsein verloren hatte. »Er hatte ihn damit vor dem Scheiterhaufen gerettet«, sagte Delaura. - Gabriel García Márquez, Von der Liebe und anderen Dämonen. München 2001 (zuerst 1994)

Mediziner (5) In Krieg und Frieden, in der Front und in der Etappe, als Offizier wie als Arzt, zwischen Schiebern und Exzellenzen, vor Gummi- und Gefängniszellen, an Betten und an Särgen, im Triumph und im Verfall verließ mich die Trance nie, daß es diese Wirklichkeit nicht gäbe. Eine Art innerer Konzentration setzte ich in Gang, ein Anregen geheimer Sphären, und das Individuelle versank, und eine Urschicht stieg herauf, berauscht, an Bildern reich und panisch. Periodisch verstärkt, das Jahr 1915/16 in Brüssel war enorm, da entstand Rönne, der Arzt, der Flagellant der Einzeldinge, das nackte Vakuum der Sachverhalte, der keine Wirklichkeit ertragen konnte, aber auch keine mehr erfassen, der nur das rhythmische Sichöffnen und Sichverschließen des Ichs und der Persönlichkeit kannte, das fortwährend Gebrochene des inneren Seins und der, vor das Erlebnis von der tiefen, schrankenlosen mythenalten Fremdheit zwischen dem Menschen und der Welt gestellt, unbedingt der Mythe und ihren Bildern glaubte. - Gottfried Benn

Heilkunst
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