editation  »Wenn unser inneres Auge sich in den Anblick dieses Gartens versenkt«, erläutert der Handzettel, den die Besucher erhalten, auf Japanisch und Englisch, unterzeichnet vom Abt des Tempels, »fühlen wir uns befreit von der Relativität unseres individuellen Ichs, während uns die Ahnung des absoluten Ichs mit ruhigem Staunen erfüllt und unsere vernebelten Sinne reinigt.«

Herr Palomar ist bereit, diese Ratschläge treu zu befolgen. Er setzt sich auf die Stufen und betrachtet die Felsen, Stein für Stein, er folgt den Linien im weißen Sand und läßt die undefinierbare Harmonie, die den Teilen des Bildes Zusammenhalt gibt, langsam in sich eindringen.

Oder vielmehr: Er versucht sich das alles so vorzustellen, wie es jemand empfinden würde, der sich darauf konzentrieren könnte, den Zen-Garten in Stille und Einsamkeit zu betrachten. Denn - das haben wir vergessen zu sagen - Herr Palomar ist auf der Tribüne eingezwängt zwischen Hunderten von Besuchern, die ihn von allen Seiten bedrängen, Fotoapparate und Filmkameras schieben ihre Objektive zwischen die Ellenbogen, die Knie, die Ohren der Menge, um den Sand und die Steine, beleuchtet vom Tageslicht und von den Blitzlichtern, aus allen möglichen Winkeln aufzunehmen. Füße in Wollsocken übersteigen ihn rudelweise (die Schuhe läßt man, wie überall in Japan, am Eingang), große Kinderscharen werden von pädagogisch beflissenen Eltern in die vorderste Reihe geschoben, Trupps von uniformierten Schülern drängeln sich durch, einzig darauf bedacht, den Pflichtbesuch des berühmten Monuments rasch hinter sich zu bringen, während gewissenhafte Touristen mit rhythmischen Auf und Ab des Kopfes prüfen, ob alles, was im Führer geschrieben steht, auch wirklich der Realität entspricht, und ob alles, was in der Realität zu sehen ist, auch wirklich im Führer geschrieben steht.   - (calv)

Meditation (2)  » Siehst du dort das Ahornblatt? Ein Tautropfen liegt darauf. Verharre still, unbeweglich, schaue unverwandt auf diesen Tautropfen, werde eins mit ihm, vergiß alles in der Welt durch diesen Tropfen, bis du spürst, daß du dich selbst verloren hast und von der unendlichen Macht des Grals durchdrungen bist.«

Damit ließ er ihn stehen. Torrismund starrte auf den Tautropfen, starrte, starrte, dachte dabei an seine eigenen Angelegenheiten, entdeckte eine Spinne, die sich auf das Blatt herabgelassen hatte, betrachtete die Spinne, versuchte wieder den Tropfen anzusehen, bewegte einen Fuß, der ihm eingeschlafen war, uff., er langweilte sich.

Um ihn her tauchten aus dem Wald Ritter auf, die langsam einherschritten und wieder verschwanden, Ritter mit offenem Mund und weitaufgerissenen Augen. Sie wurden von Schwänen gefolgt, denen sie von Zeit zu Zeit über das weiche Gefieder strichen. Einige der Ritter breiteten plötzlich die Arme aus, setzten zu einem kurzen Laufan und stießen dabei seufzende Laute aus.

»Seht doch die da drüben!« Torrismund konnte nicht umhin, den Alten zu fragen, der wieder in seiner Nähe erschienen war. »Was ist nur mit ihnen?«

»Sie sind in Ekstase«, erklärte der Alte. »Etwas, was du nie kennenlernen wirst, wenn du weiter so zerstreut und neugierig bleibst. Diese Brüder haben endlich das Stadium des vollkommenen Einsseins mit dem All erreicht.«

»Und die anderen dort?« erkundigte sich der Jüngling. Einige der Ritter schwankten einher wie von süßen Schauern befallen; dazu schnitten sie Grimassen.

»Sie befinden sich noch in einem Zwischenstadium. Bevor der Novize sich mit Sonne und Sternen eins weiß, fühlt er nur die Dinge der näheren Umgebung sich einverleibt, empfindet sie aber sehr lebhaft. Das beeindruckt vor allem die Jüngeren. Unseren Brüdern dort teilen der dahinfließende Bach, die rauschenden Blätter, die unter der Erde wachsenden Blätter, die unter der Erde wachsenden Pilze ein ganz gelindes, angenehmes Kitzeln mit.« - (ritt)

Meditation (3)  In der Kindheit und in der Jugendzeit hatte er viel meditiert, und seine Miene war die eines Jungen gewesen, dem der Kopf stark schmerzt: der Gedanke an den Tod hatte ihn so aufgewühlt, daß ihm der Atem weggeblieben war wie bei einem angenehmen Wind, der aber zu schnell und stark weht; zu seinen glücklichsten Vormittagen gehörten jene, an denen er erwachte, weil ihm geträumt hatte, daß eine enorme, fast blutige Anstrengung des Gedächtnisses ihm eine Erinnerung aus dem Jenseits, aus der Zeit vor seiner Geburt zurückgebracht hatte, eine Erinnerung, die später wieder verlorengegangen war, deren Sanftheit ihm aber eine kalte Träne am Rand des Auges zurückgelassen hatte; der Kopf eines Wolfes, der sich von außen an die Fensterscheibe drückte, hätte ihm nicht dasselbe Herzklopfen verursacht, das ihm im selben Fensterglas der Sternenhimmel hervorrief; war er in einem Garten allein geblieben, nachdem er sich umgesehen hatte wie jemand, der sich anschickt, die Schubladen in einem fremden Haus zu durchstöbern, so hatte er sich vor ein Gebüsch hingekniet, erst die Hand und dann den Arm hineingetaucht und begonnen, hastig darin herumzukramen und es abzutasten in der Hoffnung, auf einigen Zweigen oder Steinchen zufällig auf die heimliche Seite des Universums zu stoßen, damit sich die Tür des Geheimnisses weit auftue und die Engel dort glorreich erschienen.  - Vitaliano Brancati, Die Langeweile von 1937. Nach (branc)

Meditation (4) Wie schon vor Jahrtausenden wird etwas, das man Meditation genannt hat, das innre Gehen sein. Den innren Gang muß man als die wesentliche Lebensfunktion bezeichnen. Alles äußere Tun ist unwichtig. Es kann den umgewandelten Bewegungen der Tiere entsprechen, es kann auch eine Kopie dessen sein, was der Mensch innen denkt, aber der Mensch muß erfahren, daß der innre Gang seine gesamte Entwicklung in ganz biologischer Hinsicht ausmacht.   - Ernst Fuhrmann, Der Weg in die Zukunft. Nach (fuhr)

Meditation (4)

Meditation, nach Magritte 

- René Magritte
 

Denken Mystik Methode

 

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Versenkung