Maschine, sinnlose

   

- Francis Picabia

Maschine, sinnlose (2)  Wir können vermuten, daß die zur Stimme fähigen Wesen nicht fähig sind, sich zu bewegen - ähnlich wie singende oder stimmliche Steine oder Bäume; aber wenn sie, sagen wir, ein Wind oder ein Tier oder etwas dir Ähnliches wären, dann könnten sie sich bestimmt bewegen - auch zufällig - und sich bewegend könnten sie dich entdecken oder in der Nahe des Ortes, an dem du dich aufhältst, vorbeikommen und sich entdecken lassen. Zu erklären bliebe indes noch dein Widerwille, dich zu bewegen; und wenn wir dein Lauschen und ihr Tönen nebeneinanderstellen und in beiden die Nähe, die Ferne und die Distanz - die Ferne verstanden als das, was mit dem Bewußtsein der Liebe und ihrer Verzweiflung einhergeht, die Distanz als das, was von der Fremdheit und der Zerstreutheit kommt - dann können wir vielleicht annehmen, daß ihr alle zusammen - du und die Besagten - ein System bildet, eine inkongruente aber formell funktionierende Maschine - ich sage formell, denn sie hat, diese Maschine, keinerlei Sinn oder Zusammenhang oder Wert oder Funktion, ja sie bewerkstelligt überhaupt nichts, ist aber dennoch irgendwie betriebsam und erfährt sogar Schäden und Bewegung, ist kurz gesagt ein Motor, dem keinerlei Nutzen oder Handlung entspricht - etwas, das weder agiert noch funktioniert, aber trotzdem als Maschine funktioneil ist. In einem solchen Falle wäre euer gegenseitiges Unbekanntsein nichts Zufälliges, sondern etwas, das mit der Aufgabe der Maschine zusammenhängt - einer Maschine, die Distanz und Lücken erzeugt, oder auch Formen des Nichts; und du wirst nicht erstaunt sein, wenn ich sage, daß das Nichts verschiedene Formen hat, denn man weiß ja, daß nur dem Nichts gestattet ist, unbeschränkt polymorph oder pantamorph zu sein. Man kann sich diese Maschine aber auch als ein enan-tiodromes System vorstellen, d. h. daß jeder ihrer beiden Pole dem anderen entgegenwirkt, oder genauer gesagt, daß die Bewegung dessen, was zuhört - und das bist, wie wir gesehen haben, du - dazu dient, jedwede Stimme zu löschen; und dann wäre nichts anderes mehr da als der verstummte Versuch zu tönen eines sich rasch auflösenden Schattens. - Giorgio Manganelli, Geräusche oder Stimmen. Berlin 1989
 
 

Maschine Sinnlosigkeit

 

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