akranthropus Mit dem Scheitel fast die Zimmerdecke berührend, stand er, in seinen riesigen Kittel gehüllt, händeringend da und wartete auf mich. Um die kräftigen Beine hatte er Stofflumpen gewickelt und diese mit dickem Bindfaden verschnürt. Ihn nach seinem Befinden zu fragen, erachtete ich als überflüssig. Er schien mir drei Meter hoch zu sein, und die notdürftige Kleidung, die enormen, behaarten Hände, das seit Tagen unrasierte Gesicht verliehen ihm das Aussehen eines schreckenverkündenden Propheten. Sein Anblick flößte mir Entsetzen ein, denn seine glühenden, tief in den Höhlen liegenden Augen und seine großen Zähne, die er bei jedem Lächeln entblößte, überstiegen den Grad von Abnormität, den wir bei einem menschlichen Wesen zu ertragen imstande sind.
»Wir müssen so schnell wie möglich fort!« zischte er.
Ich erriet mehr, was er mir sagte, als daß ich seine Worte verstand, denn
die Laute, die er hervorbrachte, hatten menschliche Intensität und Genauigkeit
verloren und glichen eher Infraschallexplosionen, einem Zischen,
Pfeifen, Flüstern, Stöhnen,
Geräuschen, mit denen man aus der Natur vertraut ist. Sie klangen bald wie das
Murmeln eines entfernten Baches, bald wie ein Wasserfall, bald wie das Säuseln
eines linden Windes, der über ein Kornfeld streift, bald wie der Sturmwind,
der die Zweige eines hohen Waldes beugt. Ich lauschte immer aufmerksamer den
seltsamen Modulationen und Ausbrüchen der Stimme meines Freundes, um die Worte
zu erraten, die er hervorzubringen sich abmühte. Seine Ausdrucksweise hatte
sich in weniger als vierundzwanzig Stunden in verblüffender Weise verändert.
Die Laute, die er ausstieß, klangen manchmal so schrill, als kämen sie aus irgendeiner
komplizierten Musikbox, die stümperhaft zusammengekleistert worden war. Und
diese Laute erschreckten mich. Ich wagte nicht mehr, ihn anzusehen, harrte auf
ein Wunder, von dem ich wußte, daß es sich nicht mehr ereignen würde, hoffte,
daß er durch irgendeine glückliche Wendung seine ursprüngliche, menschliche
Sprache wiedererlangen könnte. Je stärker er sich erregte, desto unverständlicher
sprach er. Dann stieß er entsetzliche Zischlaute, ganz unwahrscheinliche Gaumenlaute
aus, die wie das Knallen von Monsterstöpseln im Bauch
einer feuchten, verstimmten Geige klangen, gutturale Geräusche, die so tief
waren, daß man sie nur einem leblosen Gegenstand zugetraut hätte: einem von
seinem Platz verrückten Schreibtisch, einer auf den Dielen verschobenen Riesentruhe,
dem Aufprall eines Sackes voller Sand, atrophierte Nasallaute, die plötzlich
von konvulsivischen Hustenanfällen erstickt wurden, sie alle losten minutenlang
einander ab, nur dann und wann von Pausen unterbrochen, in denen man ein leises
Schnarchen vernahm. -
Mircea Eliade, Der Makranthropus. In: Phantastische Zeiten. Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1986 (Phantastische
Bibliothek 185)
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