ajestät  Als ich hinausblickte in die Schwärze des Weltraums, übersät mit der Pracht unendlich vieler Lichter, sah ich Majestät — aber kein Willkommen. Unten gab es einen Planeten, auf dem wir mit offenen Armen empfangen würden. Dort, in der dünnen, sich bewegenden und unglaublich empfindlichen Hülle der Biosphäre befindet sich alles, was uns teuer ist, spielen sich all die Dramen und Komödien der Menschheit ab. Dort ist Leben, dort ist gut sein. - Loren Acton, nach: Der Heimatplanet, ed. Kevin W. Kelley, Frankfurt am Main 1989, 2001 (zuerst 1988)

Majestät (2) Der Weltraum besitzt eine Klarheit und eine Leuchtkraft, wie es das auf der Erde überhaupt nicht gibt, nicht einmal an einem wolkenlosen Sommertag im Hochgebirge. Nirgendwo sonst kannst du die Majestät unserer Erde vollkommener erfassen und so von Ehrfurcht erfüllt werden von dem Gedanken, daß sie nur einer von unzählig vielen Tausenden von Planeten ist. - Gus Grissom, nach: Der Heimatplanet, ed. Kevin W. Kelley, Frankfurt am Main 1989, 2001 (zuerst 1988)

Majestät (3) »Jetzt«, hebt der Scharlatan an, »da du Herrscher der Exkremente warst, mußt du das gegenteilige Schicksal erleiden; du wirst ausgekakkt und zugekakkt werden, und über dir wirst du den großen Hintern haben und die edle Öffnung einer anderen kakkotischen Majestät.«

Ich frage ihn, wie das geschehen soll, und wer das sein soll dort druntoben, der so groß ist, daß er mich scheißen kann, und der Scharlatan antwortet mir listig listig: »Glaubst du wirklich, daß es hier, wo es ewige und beinah unendliche Minuten gibt, eine Norm für die Größe gibt? Du wirst miniaturisiert sein, wenn das geschieht, ein miselsüchtiges Molekül: und die Puppe wird riesig sein und mächtig über dir thronen, und ihre Hinterbacken werden Planeten sein und ihre Löcher ein Doppelstern. Duck' dich jetzt, denn du wirst einen großen Hintern erblicken, der über dir am Himmel schwebt, und eine Kotfinsternis wird dich auslöschen.«

Und siehe da, über mir, in jener Finsternis, die ich von meiner horizontalen Lage aus als Himmel bezeichnen müßte, schwebt ein doppeltes Gestirn, ein Doppelstern, ein Doppelplanet, ein Mond mit parallelem Nebenmond - kurzum, die himmlische Majestät zweier runder und mit eigenem Licht leuchtenden Hinterbacken; und zwischen die eine und die andere Hinterbacke schiebt sich das erhabene Loch, die himmlische Pforte, aus der die finsteren Ausscheidungen heraustreten. Oh erhabenster höchster Sphinkter! Sieh mich in meiner Niedrigkeit; in meinem über alle Maßen verächtlichen Zustand liege ich dir zu Füßen, ich der treue Treulose, der unentwegt Abtrünnige, der verräterische Märtyrer, der unerschütterliche Lapsus. Darf ich, oh Durchgang, der du zu der glühenden Ampulle führst, in der die himmlischen Säfte sieden ..., darf ich nun also das alabasterne Rund der doppelten Gottheit bewundern, dreifach gestaltet durch das dazwischenliegende Tal, einen Ort, den ich nunmehr beschreiben will:

hügelige Weichen, sanfte abfallende Hänge, wechselseitige Satelliten, vereint und getrennt durch einen Ort des gestalteten Nichts; Sphären des Geistes, zwischen die sich das Geheimnis eines Tunnels schiebt, der zum Zentrum eines unbekannten Körpers führt; binärer Hintern der fäkalen Freuden frönenden Gottheit; was kann ich mir Besseres wünschen, als von deinem kotigen Segen gebrannt und geweiht zu werden und die Taufe zu empfangen aus der Kloake - meiner natürlichen und ähnlich wie ich verdreckten Quelle? Ich weiß nicht, ob diese Nacht, die sich anschickt, aus dem allerhöchsten Sphink-ter herauszutreten, nicht weniger ein Zeichen verzehrter Nahrung als vielmehr Schöpfung ist, exkrementale Lockspeise, die ex nihilo fit. Wohne ich nicht in dem Augenblick, da die gewaltige Urwurst zwischen Galaxis und Galaxis, den beiden Engelspalästen heraustritt, dem fiat faecis der Anfänge bei -der Erschaffung der Weltfinsternis, der Similihölle, in der ich hause, der höllengleichen Höllenhölle - höllisch ab origine usque ad? Ist also dieser Kosmos Behausung einer verrotteten Gottheit und das Labyrinth der Sterne ein kloakales Kuddelmuddel, ein fadenscheiniges Fasergewirr? Kann es überhaupt eine Schöpfung geben, die nicht Defäkation ist? Abscheuliches schmutziges Weltall, unwirtliches Ödland, stinkender Sternkot, sakrales Exkrement - hier also habe ich gelebt und lebe ich noch? Ist die Welt eine imitatio inferni oder das Inferno ein Abklatsch jener Welt? Dann gibt es also keinen anderen Übergang als den von der Nacht zur Nacht? Und siehe da, die Nacht der numinosen Exkremente bricht über mich herein. Die Universum gewordene Puppe kakkt auf mich herab, ich finde mich eingehüllt in diese weiche Sache, bin jetzt Latrine und buchstabiere meinen Namen: La-tri-ne; ich bekenne mich endlich als Kloake, Kakerlake und unterirdische Lagerhalle für universelle Sekrete. Es genügt jedoch nicht, daß ich mich in Fäkalien kleide. Ich weiß, daß mein zarter und unbeständiger Körper sich nach und nach in Scheiße verwandelt. Ich bin nur noch eine exkrementale Vogelscheuche ohne Nerven und Knochen. Eingeschlossen in die Materie bin ich nichts anderes mehr als ein scholastischer Theologe der allerhöchsten Hinterbacken, dem Vision und Kontemplation verwehrt sind. Ich bin in das verfallene und verdorbene Universum eingesunken, aber mit göttlichem Brodem behaucht. Ich theoretisiere, hypothesiere, phantasiere; im dunklen Geiste skizziere ich die leuchtenden Zeichen der Herrin beider Himmelssphären, daraus die Weltmaterie trat. Ich schreibe Summen, Itineraria, Imitationes. Ist die Welt als Exkret schlecht oder heilig? Segregat, Sakrament, Sekret. Heilige Dünste, mephitische Düfte, ätzende Säuren aus Tod und Geburt, Wiedertod und Wiedergeburt durchziehen sie. Ich bin Theologe. Ich konstruiere imaginäre Polygone, zeichne den Himmelsplan, verteile die Zeichen für das Weltende, die Abschaffung der Höllenimitation, die Stunde, die nur jener Teil der Hölle überdauern wird, der keine Häuser, Straßen, Wörter, Bäume, Hunde und Bücher enthält: der platte Ort friedlicher Verzweiflung. Werden auch die Hinterbacken sterben in der letzten Stunde dieser Welt, die aus ihnen geboren wurde? Oder bleiben sie allein bestehen als zwei eines jeden künstlichen und falschen Lumens beraubte Hemisphären? Wird er aufhören, dieser heilige Stuhlgang, und wird es abgeschafft werden, das Exkrement und die riesige Latrine des nach hygienischen Säuren riechenden, endgültig von jeder Welt gereinigten Nichts? Wird der große Spülkasten jenes Gottes die tristen Kindspechspritzer dieses blatternarbigen Bübchens, den kreiselnden Kosmos, ein für allemal hinunterspülen? - (hoelle)

Majestät (schwarze)

Majestät, schwarze
 Der Herzog von Zamorna, die schwarze Majestät in Angria,
zynisch, leidenschaftlich und stolz -
eine byronische Figur und der Meister aller Träume.
Eine Zeichnung von Branwell

 - Aus: Charlotte Branwell Emily Anne Brontë: Angria & Gondal. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1829 ff.)

Majestät (5)  Ich erwache mißgestaltet und zugleich königlich; um mein Bett versammelt sich das Entsetzen der Höflinge, der Krieger, der Meuchelmörder, der Giftmischer, der kirchlichen Würdenträger. Als Monarch, sicherlich Herrscher über das Bett, in dem ich liege und aus dem ich mich wegen meiner mißgestalteten Gliedmaßen nicht erheben kann, bin ich ausgezeichnet durch den Glanz der Krone, der Orden, der Standarten, meine mißgestalteten Hände hüten den Glanz siegreicher Fahnen. Meine vielfachen Arme halten Zepter, Tiara, Weltkugel, Weihwasserwedel, heilige Symbole, raffinierte Folterwerkzeuge. Meine Majestät schart alle unbewegt um die Finsternis des Betts, niemand wagt es wegzutreten, doch von allen Seiten rieche ich das erlesene Aroma der Angst. Ein gewaltiger, beweglicher Flaum umgibt meinen Körper; mein Fell raschelt in weichen, sinnreichen Schreien. Ich spreche Urteile aus. Ich verordne langsame, kostbare Tötungen. Ich röchle im Auftrag derer, die mit dem Tod kämpfen. Nervös bewegen sich meine Zähne, die an meinen zahllosen Ohren hängen. Meine Ohren ernähren sich vom Brüllen, Klagen und Knurren der gequälten Tiere; ich kaue langsame Todeskämpfe; ich bin ungerecht. Ich bin erpicht auf die Masse der Vernichtung, auf die Verwüstung von allem, was lebendig ist; als Ungeheuer verabscheue ich, was sich als harmonische Gestalt betrachtet; ich liebe es, den gespalteten Kopf eines anmutigen Geschöpfes zu lecken. Als König verabscheue ich alles, was sich meiner bösartigen Macht widersetzt, und alles, was nicht König ist, wird umgebracht, denn es kann das Königliche nur hassen, und was König ist, wenn etwas Ähnliches überhaupt gedacht werden kann, wird mit geduldigem Martern getötet. Ich winde mich in meinem großen Bett und warte, bis ein listigeres, winziges Königlein meine Vernichtung plant; ich warte geduldig und lasse mir die Ohren vollkreischen, bis mich die zerstreute Zeit der Zerstückelung erreicht. - Giorgio Manganelli, Kometinnen und andere Abschweifungen. Berlin 1997

Majestät (6)  Eine so elegante und königliche Frau war ihm sein Lebtag nie begegnet; das wußte er sofort beim ersten Blick, sein Lebtag war ihm keine solche Frau begegnet. Und als er sie durch den Gang zwischen den Sitzen auf sich zukommen sah, mit einem so majestätischen Schritt, daß ich ihn hier gar nicht beschreiben könnte, bekam der alte Ridolfi ein Herzjagen und verfiel aufs neue in den Zustand der Verwirrung. Er sah sie mit dem nicht blinden Auge an, das schier aus seiner Höhle hervortrat, und seine Beine zitterten, weil er nicht wußte, was er tun oder zu ihr sagen sollte. Aber seine Verwirrung war auf dem Gipfel in dem Moment, als die Frau, die näherkam und sah, daß er sie fest anblickte, ihm noch einmal ein wunderschönes Lächeln erteilte, das sein ganzes Sein von oben bis unten durchschüttelte; Ridolfi, der nicht imstande war zu lächeln, stand wie gelähmt da. Sie verstand alles im Nu, denn sie war offenbar auch eine gescheite Frau, und mit einem erneuten Lächeln gab sie ihm auch höchst anmutig die Hand. Da brach die Panik aus. Ridolfi drückte ihr die Hand mit klopfendem Herzen, aber gleich darauf senkte er mit Schwung den Kopf, um sie ihr zu küssen, aus einem so plötzlichen Antrieb heraus, daß er das Gleichgewicht verlor und sich bei dem weiß gekleideten Alten festklammern mußte. Doch die Frau war auf ihre ruhige majestätische Art weitergeschritten und in die Nacht hinausgestiegen. Wie er nachher Cevenini erklärte, hätte er (Ridolfi) sich am liebsten auf der Stelle umgebracht, als er sie so weggehen sah, mit ihrem majestätischen Schritt, der ihn so stark beeindruckt hatte. Wenn sie nämlich auf diese Weise für immer verschwand, dann war es klar, daß der Kummer, auf der Welt zu sein, kaum mehr zu ertragen war.  - Gianni Celati, Cevenini und Ridolfi. In: G. C., Cinema naturale. Berlin 2001

Majestät (7)  

- Vivant Denon

Größe Herrscher
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