ännerfamilie  Die Männer unserer Familie waren stets zu vertrauensselig und in ihrem Tun zu unbedacht gewesen. Wir hatten niemals Glück gehabt. Mein Großvater, seinerzeit Rabbiner in Belaja Zerkow, war wegen Religionsspötterei davongejagt worden. Er hatte noch vierzig Jahre lang in Armut und Geschäftigkeit gelebt, fremde Sprachen erlernt und in seinem achtzigsten Lebensjahr den Verstand verloren. Mein Onkel Lew, der Bruder meines Vaters, hatte die Talmudschule zu Woloshin besucht. Vor seiner Einberufung zum Militär im Jahre 92 hatte er sich davongemacht und die Tochter des Kiewer Militärintendanten mitgenommen. Sie waren nach Kalifornien, nach Los Angeles gegangen. Dort hatte er das Mädchen verlassen und war in einem Freudenhaus unter Negern und Malaien gestorben. Die amerikanische Polizei hatte uns seine Hinterlassenschaft übersandt — einen großen, eisenbeschlagenen braunen Koffer. Er enthielt Eisenhanteln, Frauenlocken, das Gebettuch vom Großvater, Peitschen mit Goldgriffen und Blütentee in Schatullen, die mit billigen Perlen geschmückt waren. Von der ganzen Familie waren nur noch der irrsinnige Onkel Simon in Odessa, mein Vater und ich am Leben. Doch mein Vater war zu vertrauensselig, er kränkte die Leute mit den Bezeigungen seiner naiven Liebe. Das konnten ihm die Leute nicht verzeihen und betrogen ihn. Mein Vater glaubte deshalb, ein böser Geist, ein geheimnisvolles Wesen walte in seinem Leben und verfolge ihn.  - (babel)

Männerfamilie (2)  Durch eine angelehnte Tür hörte er : »Das hat er von mir und von seinem Großvater. Bei uns Magnanos, lieber Freund, lösen sich die Frauen nur so auf, wenn wir sie bloß mit dem kleinen Finger berühren... Ich weiß nicht, welcher Art die Beziehungen der Gräfin zu meinem Sohn sind, aber ich weiß, daß, wenn eine Frau mit ihm zusammengewesen ist, sie sich Zeit ihres Lebens die Lippen nach ihm leckt.«

Antonio wartete, bis sein Vater sich von seinen Freunden getrennt hatte, dann wandte er ihm einen vernichtenden Blick zu.

»Was hast du denn?« sagte der Vater, »warum schaust du mich so an?«

»Ich habe gehört, was du vorhin gesagt hast.«

»Na und? Was habe ich denn Schlimmes gesagt? Ist es eine Schande, ein guter Reiter zu sein? «  - Vitaliano Brancati, Bell'Antonio. Frankfurt am Main 1961 (zuerst 1949)

 

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