ädchenphantasie Ihre Klassenkameradinnen sagen von ihr, sie sei völlig plemplem, und mehrmals sind Eltern von Mitschülerinnen zu Olivier Gratiolet gekommen, um sich bei ihm darüber zu beklagen, dass seine Tochter den ändern Kindern ihrer Klasse oder manchmal sogar auf dem Schulhof Schülerinnen, die viel kleiner sind als sie, Geschichten erzählt, die ihnen Angst machen. So hat sie zum Beispiel Louisette Guerne, um sich dafür zu rächen, dass diese ihr im Zeichenunterricht eine Flasche mit China-Tusche über den Kittel geschüttet hat, erzählt, dass ein pornographischer Greis ihr jedesmal folge, wenn sie aus dem Gymnasium komme, und dass er eines Tages über sie hergefallen sei, ihr alle Kleider vom Leibe gerissen und sie gezwungen habe, ihm ekelhafte Dinge zu tun. Oder sie hat Dominique Krause, die erst zehn Jahre alt ist, davon überzeugt, dass die Gespenster wirklich existieren und dass sie eines Tages sogar ihren Vater mit einer Ritterrüstung habe erscheinen sehen, wie ein Ritter des Mittelalters inmitten einer Masse entsetzter Wächter, bewaffnet mit Partisanen, öder aber sie hatte, als ihr das Aufsatzthema gestellt worden war »Erzählt eure schönste Ferienerinnerung« eine lange und gewundene Liebesgeschichte verfasst, in der sie, in Goldbrokat gekleidet und einem maskierten Prinzen nachstellend, dem sie geschworen hatte, dass sie nie sein Gesicht ansehen würde, mit großen Schritten marmorgeflieste Vorhallen und Vestibüle durchmaß, eskortiert von Armeen von Pagen, die Harzfackeln trugen, und von Zwergen, die ihr berauschenden Wein in feuervergoldete Silberpokale gössen.
Ihr Französischlehrer, fassungslos, zeigte diesen Aufsatz der Schulleiterin,
die, nachdem sie den Rat einer Schulpsychologin eingeholt hatte, Olivier Gratiolet
schrieb und ihm dringend nahelegte, seine Tochter von einem Psychotherapeuten
untersuchen zu lassen und ihm empfahl, sie im nächsten Schuljahr auf ein psycho-pädagogisches
Institut zu schicken, wo ihre intellektuelle und psychische Entwicklung besser
beobachtet werden könne, doch Olivier antwortete ziemlich knapp, dass man, nur
weil die Schulmädchen im Alter seiner Tochter fast in ihrer Gesamtheit blökende
Schafe seien, im besten Falle imstande, im Chor Sätze nachzusprechen wie die
Bäuerin gibt den Hühnern zu fressen oder der Bauer pflügt mit seinem
Pflug, Isabelle nicht als anormal oder einfach als einfältig ansehen dürfe,
bloß weil sie Phantasie habe. - (rec)
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