ustseuche  Lieber Alter,

Du bist der reizendste Sterbliche, den ich kenne; ich habe recht getan, Dich auf den ersten Blick gern zu haben. Das wollte ich Dir als erstes sagen, und dann, daß ich ein Gimpel bin, ein bissiger Hund, ein ekelhaftes, abstoßendes Individuum usw. usw.

Ja, die Literatur geht mir im höchsten Grade auf die Nerven! Aber das ist nicht mein Fehler; sie ist bei mir zu einer inhärenten Lustseuche geworden, es gibt keine Möglichkeit, sie loszuwerden. Ich werde von Kunst und Ästhetik zugrunde gerichtet, und es ist mir unmöglich, einen Tag zu leben, ohne an dieser mich zerfressenden unheilbaren Wunde zu kratzen.

Ich habe (wenn Du meine innerste und offene Meinung wissen willst) nichts geschrieben, was mich voll und ganz befriedigt. Ich habe in mir - und zwar sehr deutlich, glaube ich - ein Ideal (entschuldige das Wort), ein Stilideal, dessen Verfolgung mich ohne Unterlaß keuchen läßt. Deshalb ist Verzweiflung mein normaler Zustand. Ich brauche eine heftige Ablenkung, um aus ihr herauszukommen. Außerdem bin ich von Natur aus nicht fröhlich. Niedrig, possenhaft und obszön so viel Du willst, aber trotzdem immer finster. Kurz, das Leben geht mir herzlich auf die Nerven. - Flaubert an Ernest Feydeau, nach (flb)

Lustseuche (2)   Candide unternahm einen Rundgang durch die Stadt und begegnete dabei einem Bettler, der mit Pusteln und Eiterbeulen über und über bedeckt war. Seine Augen waren erloschen, die Nasenspitze zerfressen, der Mund schief und verzerrt und die Zähne kohlschwarz. Er redete heiser und gurgelnd, ein heftiger Husten quälte ihn, und jedesmal, wenn er hustete, spuckte er einen Zahn aus. - Voltaire, Candide oder Der Glaube an die beste der Welten, nach (vol2)
 
 

Lust Seuche

 

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