Lunatic fringe  Zuerst war da der blonde Hüne mit der Mickymaus-Plakette und der sehr echten Pistole gewesen. Die Delray-Polizei hatte es zwar irgendwie komisch gefunden, aber erst nachdem sie Mr. Richard Nobles versichert hatten, daß sie ihm, falls er hier noch mal auftauchte und Jill belästigte, beide Kinnladen seiner großen Klappe lädieren würden. Dann hatte Earl nachts beim Rauchen eine Matratze in Brand gesteckt - und das, nachdem sie ganz sicher waren, daß er weder Zigaretten noch Zündhölzer bei sich hatte. Walter, der fortfuhr alle zu fragen, ob sie schon mal einen Adler gesehen hätten, machte alle, bis ihn endlich die Nervenheilanstalt abholte, verrückt. Ein Mädchen, das sich die Haare am Hinterkopf bis oben abrasiert hatte, rasierte sich auch noch die Augenbrauen ab und schloß sich fast den ganzen Morgen in der Toilette ein, während sich zwei Alkoholiker in Papierkörbe übergaben.

Ein anderer Klient, der darauf wartete, befragt zu werden, kam im Beratungszimmer an die Schachtel mit Toilettenpapier (woanders war kein Platz dafür) und zog mehrere Rollen kreuz und quer durchs Büro. Und dann kam der sanft lächelnde Kubaner, der angeblich Geraldo Rivera hieß und bis auf ein Paar sportliche, perforierte Schuhe und braune Seidensocken splitternackt war, hereinspaziert. Irgendwie war er drollig.

Zuerst gab er vor, kein Englisch zu sprechen. Als Jill zum Telefon griff, um einen zweisprachigen Beamten der Delray-Polizei anzufordern, sagte er, Moment, etwas fiele ihm jetzt wieder ein. Er meinte, daß er vielleicht an Amnesie litt, denn er wüßte noch ganz genau, daß er sich anzog, um zum Jai Alai zu gehen, es dann aber offensichtlich vergessen hatte zu tun. Er fragte, ob er hier nicht im Ponton sei, wo das Spiel stattfinden sollte. Jill erklärte ihm, daß sie hier zwar ziemlich alles spielten, was es gab, aber leider kein Jai Alai. Als sie ihn eine Minute allein lassen mußte, spazierte er mit seinem schlaffhängenden Pimmel seelenruhig durch die Büros. Mary Elizabeth, das neue Mädchen, sagte, nanu, so einen hätte sie noch nie gesehen, das Ding sei so dunkel, verglichen mit dem Rest von ihm. Die Betrunkenen rissen ihre wässrigen Augen auf und sahen ihn kommentarlos an.

Ja, und was gab es dann noch?

Walter, der zu der Zeit noch nicht abgeholt worden war, fragte Geraldo, ob er je einen Adler gesehen hätte. Ja, antwortete der Kubaner, seine Mutter wäre einer gewesen. Dann erzählte er ihm, daß er als kleines Baby von einem Adler gestohlen, in sein Nest getragen und mit erbrochenem Hasenfleisch gefüttert worden wäre. Dann wickelten sie den Kubaner in ein Laken ein, was ihm zu gefallen schien, denn er begann sich auf verschiedene Weisen ein- und auszuwik-keln, bis er endlich im Togastil, mit einem freien Arm, zufrieden war.

Danach wurde er ganz ruhig.

Dann kletterte der zwanzigjährige manisch-depressive Selbstmordkandidat auf einen Aktenschrank im Hauptbüro, boxte ein Loch durch das Drahtgitter und schlug das deckenhohe Fenster dahinter ein. Als sie ihn blutüberströmt herunterholten, waren die Wände blutverschmiert und sein Arm vom Handgelenk bis zum Ellbogen aufgeschlitzt. Irgendwann, während die Sanitäter ihn zur Ambulanz brachten, war dann der nackte Kubaner verschwunden.  - Elmore Leonard, La Brava. München 1991

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