ukrez  Auf jeden, der nicht ganz im Geiste unserer Zeit aufgeht, sondern seiner Mitwelt und speziell der geistigen Einstellung der Zeitgenossen gegenüber sich gelegentlich als Zuschauer fühlt, wird das Werk von Lukrez seinen Zauber ausüben. Man sieht hier, wie sich ein mit naturwissenschaftlichem und spekulativem Interesse begabter, mit lebendigem Fühlen und Denken ausgestatteter, unabhängiger Mann die Welt vorstellt, der auch von denjenigen Ergebnissen der heutigen Naturwissenschaft keine Ahnung hat, die uns im Kindesalter beigebracht werden, bevor wir ihnen bewußt oder gar kritisch gegenüberstehen können.

Einen tiefen Eindruck muß das feste Vertrauen erwecken, das Lukrez als treuer Schüler Demokrits und Epikurs in die Verständlichkeit, bzw. den kausalen Zusammenhang alles Weltgeschehens setzt. Er ist fest überzeugt, ja er glaubt sogar beweisen zu können, daß alles auf der gesetzmäßigen Bewegung unveränderlicher Atome beruhe, wobei er den Atomen keine anderen Qualitäten zuschreibt als geometrisch-mechanische. Die Sinnesqualitäten Wärme, Kälte, Farbe, Geruch, Geschmack sollen auf die Atombewegungen zurückgeführt werden, ebenso alle Lebenserscheinungen. Seele und Geist denkt er sich aus besonders leichten Atomen gebildet, indem er (inkonsequenterweise) besonderen Erlebnischarakteren besondere Qualitäten von Materie zuordnet.

Als Hauptziel seines Werkes stellt er die Befreiung des Menschen von der durch Religion und Aberglauben bedingten sklavischen Furcht hin, die von den Priestern für ihre Zwecke genährt und ausgebeutet werde. Gewiß ist es ihm damit Ernst. Aber am meisten scheint ihn doch das Bedürfnis geleitet zu haben, seine Leser von der Notwendigkeit des atomistisch-mechanischen Weltbildes zu überzeugen, wenn er es auch seinen wohl mehr aufs Praktische eingestellten römischen Lesern nicht offen zu sagen wagt. Rührend ist seine Verehrung für Epikur, griechische Kultur und Sprache überhaupt, die er hoch über die lateinische stellt. Es gereicht den Römern zum Ruhm, daß man ihnen dies sagen durfte. Wo ist die moderne Nation, die solch noble Gesinnung gegenüber einer Zeitgenossin hegt und ausspricht? - Albert Einstein, in: (luk)

Lukrez (2) Und dann lese ich wieder Lukrez und sage mir, daß niemals etwas Schöneres geschrieben worden ist; daß nichts, was er auf diese oder jene Weise behauptet hat, ernsthaft zu widerlegen war, sondern vielmehr bestätigt wurde. Und ich weiß wohl, daß man es fertigbrachte, ihn mir als einen Angstneurotiker, als einen Irren zu schildern und zu behaupten, denn das paßte manchen Leuten in ihren Kram, er habe schließlich Selbstmord verübt.  - Francis Ponge
 
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