ückenbüßer Ich hatte Frau Jung beteiligt an einem Deutschen Photodienst, einer am Markt sehr angesehenen Korrespondenz mit einer Reihe internationaler Gegenseitigkeitsverträge. Mit einem Dutzend deutscher und internationaler Spitzenphotographen beherrschte der Dienst eine Zeitlang die illustrierten Blätter; die Kosten standen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen. Ich selbst habe mich kaum um den Dienst gekümmert und bin nur als Lückenbüßer in Erscheinung getreten, wenn niemand anders die Karre aus dem Dreck ziehen wollte. So zum Beispiel, als der Dienst in der ganzen Weltpresse eine große Serie von Photos über ein Erdbeben in Jugoslawien unterbrachte, das in Wirklichkeit überhaupt nicht stattgefunden hatte; ein paar mißverstandene Gerüchte aus Wien. Kolonnen fliehender Bauern mit Frauen und Kindern, mit Sack und Pack auf Ochsenkarren, eingestürzte Brücken, Häuser, Ruinen am Wege - das alles stammte aus dem Archiv, Photos vom ersten Weltkrieg, Flucht der serbischen Grenzbevölkerung beim Einmarsch der Österreicher; wahrscheinlich hat das auch schon damals nicht ganz gestimmt. Ein diplomatischer Notenwechsel zwischen Belgrad und Berlin war die Folge. Der verantwortliche Direktor des Photodienstes wurde ins Auswärtige Amt bestellt. Da niemand hingehen wollte, habe ich mich als Aushilfe in der Not auf den Weg gemacht.
Der zuständige Ministerialrat schäumte vor Wut, und ich war darauf gefaßt,
daß ich eingesperrt würde. Schließlich aber, sichtlich beeindruckt von meiner
Ahnungslosigkeit und dem sonstigen idiotischen Auftreten, ließ mich der Mann
laufen, mit der Drohung, wir würden noch von ihm hören. Ich bin ihm allerdings
nicht mehr begegnet. - Franz Jung, Der Weg nach
unten. Aufzeichnungen aus einer großen Zeit. Salzhausen 1979 (zuerst 1961)
Lückenbüßer (2)
|
||
|
||