oslassen
Eher klein als groß, aber breitschultrig und von starkem, muskulösem Körperbau
hatte Cardillac, hoch in die fünfziger Jahre vorgerückt, noch die Kraft, die
Beweglichkeit des Jünglings. Von dieser Kraft, die ungewöhnlich zu nennen, zeugte
auch das dicke, krause, rötliche Haupthaar und das gedrungene, gleißende Antlitz.
Wäre Cardillac nicht in ganz Paris als der rechtlichste Ehrenmann, uneigennützig,
offen, ohne Hinterhalt, stets zu helfen bereit, bekannt gewesen, sein ganz besonderer
Blick aus kleinen, tiefliegenden, grün funkelnden Augen hätte ihn in den Verdacht
heimlicher Tücke und Bosheit bringen können. Wie gesagt, Cardillac war in seiner
Kunst der Geschickteste nicht sowohl in Paris, als vielleicht überhaupt seiner
Zeit. Innig vertraut mit der Natur der Edelsteine, wußte er sie auf eine Art
zu behandeln und zu fassen, daß der Schmuck, der erst für unscheinbar gegolten,
aus Cardillacs Werkstatt hervorging in glänzender Pracht. Jeden Auftrag übernahm
er mit brennender Begierde und machte einen Preis, der, so geringe war er, mit
der Arbeit in keinem Verhältnis zu stehen schien. Dann ließ ihm das Werk keine
Ruhe, Tag und Nacht hörte man ihn in seiner Werkstatt hämmern und oft, war die
Arbeit beinahe vollendet, mißfiel ihm plötzlich die Form, er zweifelte an der
Zierlichkeit irgendeiner Fassung der Juwelen, irgendeines kleinen Häkchens -
Anlaß genug, die ganze Arbeit wieder in den Schmelztiegel zu werfen und von
neuem anzufangen. So wurde jede Arbeit ein reines, unübertreffliches Meisterwerk,
das den Besteller in Erstaunen setzte. Aber nun war es kaum möglich, die fertige
Arbeit von ihm zu erhalten. Unter tausend Vorwänden hielt er den Besteller hin
von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Vergebens bot man ihm das Doppelte für
die Arbeit, nicht einen Louis mehr als den bedungenen Preis wollte er nehmen.
Mußte er dann endlich dem Andringen des Bestellers weichen, und den Schmuck
herausgeben, so konnte er sich aller Zeichen des tiefsten Verdrusses, ja einer
innern Wut, die in ihm kochte, nicht erwehren. Hatte er ein bedeutenderes, vorzüglich
reiches Werk, vielleicht viele Tausende an Wert, bei der Kostbarkeit der Juwelen,
bei der überzierlichen Goldarbeit abliefern müssen, so war er imstande, wie
unsinnig umherzulaufen, sich, seine Arbeit, alles um sich her verwünschend.
- E. Th. A. Hoffmann, Das Fräulein von Scuderi (zuerst
ca. 1819)
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