- Richard Mattuck, nach: Einsicht
ins Ich. Fantasien und Reflexionen über Selbst und Seele. Hg. Douglas
R. Hofstadter und Daniel C. Dennett. München 1992
Lösbarkeit (2) Also sehen wir einmal. Ein Problem
ist, wie gesagt, schon allein wegen einer falschen Formulierung oder einer Insuffizienz
von Daten unlösbar. Doch kann man sicher sein, daß die beiden Dinge kein einziges
sind? Und wenn nein, wie dann zwischen den beiden unterscheiden, anders ausgedrückt,
wie feststellen, welches von beiden die Ursache für die Unlösbarkeit ist? Schließlich
sollte man meinen, daß die beiden als Ursache nur schwer assimilierbar, zumindest
schwer unter einen Hut zu bringen sind: denn in Wahrheit und ungeachtet ihrer
inneren Natur (ist doch das erste eine Rechts- und das zweite eine simple Tatfrage;
es sei uns erlaubt, auf diese Terminologie zurückzugreifen) bedingt das zweite
das erste, während das erste das zweite nicht bedingt. Was wiederum bedeutet,
daß eine Insuffizienz an Daten nicht nur eine korrekte, sondern überhaupt jede
Formulierung des Problems unmöglich macht, während eine unkorrekte Formulierung
keine Insuffizienz in die Daten bringt: pfui!, welch dämlicher Sophismus, begründet
auf einer leichten Verschiebung der Verbalwerte! Wahr ist hingegen, daß eine
solche Beziehung nicht in ausschließlich dialektischen Begriffen angegangen
werden kann. Hier muß man auf mathematische Begriffe zurückgreifen, sagen wir
auf den der Funktion: das eine Ding dem anderen zugeordnet. Schön und gut, aber
welches welchem? Nun, sagen wir, das eine ist die Konstante und das andere die
Variable des Problems. Ach, in was für inhaltslosen Betrachtungen ergehe ich
mich denn in diesen letzten Minuten? Eine halbe ist schon wieder vergangen;
innerhalb von drei Minuten muß jetzt alles entschieden und erledigt sein. Nein,
so geht das nicht, man muß sein Denken allem und jedem verschließen, alles und
jedes gerade sein lassen. Also, rasch: Formulierung des Problems - es ist keine
Zeit mehr, auch nur irgend etwas zu formulieren, andererseits beginnt man tunlichst
in jedem Fall mit den Daten, sonst schwimmt man in einem Meer von Möglichkeit.
Gegeben also - oh, aber hier wären Überlegungen anzustellen! Soll mir doch bitte
jemand sagen, wie man vorgeht, um die Gegebenheiten eines Problems zu erkennen;
da drängt sich mir schier der Gedanke auf, daß diese von der Formulierung abhängen
und nicht umgekehrt (wobei es kaum von Belang ist, wenn ich mir gewissermaßen
widerspreche). Wieso denn von der Formulierung: geradewegs von der Lösung!
Nur durch die Präfiguration oder die Hypothese einer Lösung nehmen die Daten
Gestalt an und rücken sichtbar ins Bewußtsein; was die spekulative Bedeutung
haben könnte, daß die Lösung eines Problems niemals der Logik oder der Logik
allein überlassen werden darf; und noch anderes Schöne mehr, was ich mir wegen
der Gedrängtheit . . . (zum Teufel, ich halte doch keine Vorlesung! Ich . .
.) Nun ja, «in der Präfiguration» und «in der Hypothese» sind nicht die richtigen
Ausdrücke: «in der Vorahnung» muß es heißen. Andererseits ergeben «die Daten»
auch keinen Sinn: «Daten» muß man sagen, und ohne Artikel, da jede der unendlichen
Lösungen ihre eigenen Daten hat beziehungsweise in sich birgt und weil, um es
in aller Freimut zu sagen, die Daten selber Hypothesen sind, ein Problem keine
Daten hat, es keine vorgegebenen Daten gibt. Selbstverständlich unendliche Lösungen:
es ist nicht wahr, daß es Probleme gibt, die nur zwei Lösungen zulassen. Im
Gegenteil, ein solches Problem hat man noch nie gekannt: sonst gäbe es ja, abgesehen
von allem anderen, unendliche Möglichkeiten, diesem auszuweichen
oder dieses zu umgehen, welche ja, ob man es nun will oder nicht, allemal Lösungen
sind. Wenn ich's mir recht überlege, würde ich sogar sagen, daß ein Problem
mit zwei angenommenen Lösungen der Bedeutung selbst eines Problems widerspricht
und schon eher eine Alternative als ein Problem wäre,
also . . . folglich eine Spekulation wäre, und dann kann man die Lösung ebensogut
dem Zufall überlassen, will sagen würfeln statt lösen.
- Tommaso Landolfi, Abwärts, nach (
land
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