Literaturpublikum  Nun also wieder in die Technische Hochschule, wo ein dicker Dichter Gedichte und Meditationen vorlas, von denen eine lautete: »In der Nacht sind alle Frauen Katz.«

Eugen gefiel, was der Mann machte, weil es ihm so vorkam, als wäre der verzweifelt und schriebe deshalb so schmerzhaft vergnügte Sachen. Er hatte einen Pfennigmund, der rosa zwischen pfundschweren Backen leuchtete und pfiffig wirkte. Sein Bauch hatte Faßcharakter, während seine Händchen feist und griffig waren.

Der Raum, ein großes Zimmer, war mit Menschen vollgestopft, und einer, der am Boden neben der Tür hockte, hielt die Klinke fest, wenn draußen Schritte staksten und die Klinke herabgedrückt wurde. Der gehörte zum Troß des dicken Dichters, der mit großer Begleitung hierhergekommen war. Ein Schmaler in Wildlederjacke trug eine randlose Brille mit scharf blitzenden Gläsern, ein anderer sah glasig vor sich nieder, in der Hand eine Bierflasche, an der er saugte, als wäre er ein Flaschenkind. Ein Dritter war pickelhäutig, hatte die Stirn mit Haar verhängt und saß schmutzig, bleich und apathisch da, die Nägel lang und grau, als ob er Krallen hätte. Daneben eine Frau mit starrern Blick, das Gesicht unbewegt. Ihr blondes Haar streifte die Schultern, ihre dicke Unterlippe hing herab, und ihre Nase krümmte sich wie angeekelt. Sie trug eine ausgewaschene gelbe Samthose, die eng saß, und bewegte, regte, räkelte sich hochmütig und träge.   - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt am Main 1990
 

 

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