iteraturpreis  Eines schönen Tages erhielt Michele ein Schreiben des Unterstaatssekretärs, der ihm in einem seinem Rang angemessenen nüchternen Stil mitteilte, man habe ihm einen mit zweihunderttausend italienischen Lire dotierten Preis verliehen (oder vielleicht «zugebilligt»), und dazu noch präzisierte, diesen Betrag bekäme er ausbezahlt, sobald ... Es folgte ein sibyllinischer Satz, dem jedenfalls zu entnehmen war, daß die Akte noch diverse Büros durchlaufen mußte.

Gewiß war Michele ein armer Teufel, aber sein erster Impuls war doch, dem Unterstaatssekretär zu erwidern, er möge die Summe zu seinem eigenen Benefiz verwenden. Nichtsdestotrotz ließ er das bleiben, weil er sich dachte, es sei doch eigentlich sein Geld, also seines als Steuerzahler, und damit die Rückerstattung eines minimalen Teiles dessen, was die Regierung ihm Tag für Tag stehle; dachte sich vor allem, daß er es gerade jetzt verdammt gut brauchen könnte. Doch leistete er sich die Marotte, dem Unterstaatssekretär gar nichts zu erwidern. Eigenartigerweise ließ übrigens die Zahlungsanweisung nicht auf sich warten; aber es erhoben sich andere Schwierigkeiten.

Die Anweisung war natürlich auf eine römische Behörde ausgestellt; während Michele gottlob in einer Stadt wohnte, die von der Kapitale sehr weit entfernt liegt. Hinzufahren war nicht sinnvoll; und das Geld bei irgendeiner Bank abzuheben erwies sich als unmöglich, denn es lagen da noch staatliche Ämter und Institutionen dazwischen; kurz und gut, nachdem er sich mit Kennern beraten hatte, blieb ihm nichts übrig, als per Einschreibebrief eine gewisse staatliche Behörde zu ersuchen, eine andere, ebenfalls staatliche Behörde zu ermächtigen, einer dritten Behörde ein Schreiben zu übermitteln, auf Grund dessen . . . Einschreibebrief, der selbstverständlich eine Ehrfurchtsbezeigung erforderte.

In der Erwartung, daß sich der Amtsschimmel bewegte, nahm Micheles Erregung nur zu. Und doch fanden die römischen Beamten, ein Papier ums andere, auch die Muße, «den Vorgang zu erledigen», und am Ende erhielt er die Mitteilung, das Geld befände sich auf einer städtischen Bank zu seiner Verfügung. Wo zu guter Letzt und Lust von den zweihunderttausend nur noch einhundertvierundneunzigtausend Lire für ihn eingezahlt worden waren.. - (land2)

Literaturpreis (2) Der frisch geweihte Pfeilschütze der Kriegsgesänge hielt in beiden Händen, gegen die Brust gepreßt, die preisgekrönte Tafel, den Anführern gegenüberstehend, die einer nach dem ändern herzukamen, stillstanden und über die Zeichen hinbliesen, die auf ihr gemalt waren, um ihre Farben zu beleben, ihre Symbole, ihre Magie, ihr unauslöschliches Feuer, ihre Poesie aus Spiegeln, die atmend sangen.

Eine plötzliche Wellenbewegung unter den Hunderten, den Tausenden von Kriegern, die den Platz füllten, störte die Festhandlung. Einer der Häuptlinge, der Erste Führer der Festung, löschte mit seinem Hauch, was Utuquel - der Dichter - geschrieben hatte auf der preisgekrönten Tafel, und das Fest war Verheerung, Asche der Verfinsterung war der Vollmond, Schweigen der Gesang, und im Staub schleiften die Tigerfellfahnen, die dichtgewimperten Schatten der Bäume, die Finger der Blumen, die Honigwaben, der Binsenteppich der unschätzbaren Worte, und aus der Festung der Spiegel ging hinaus Utuquel - der Dichter — mit seiner leeren Tafel, dazu verdammt, sie niederzulegen zuhöchst auf dem Gipfel eines der Vulkane.

Und nicht allein Utuquel, der Mondesser, überströmt von grünen Haaren, die Hände ausgeliefert dem Salz des Jammers, nein, viele Dichter sind dazu verdammt, weiße Wölkchen auf die Krater der Vulkane zu legen, Samen, aus denen die Farben hervorgehen, welche die Sonne dem Mond einst raubte, mit dem Trick der gelöschten Tafel, um den Regenbogen zu bilden. - Miguel Angel Asturias, Legenden aus Guatemala. Frankfurt am Main 1973 (BS 358)

Literaturpreis (3)  Nach mehr als vierzigjähriger Schriftstellerei als einzigem Beruf, den ich zwar nie gelernt, aber seit 1945 ausschließlich ausgeübt habe, bin ich nicht ungeübt im Entgegennehmen von Preisen. Zuerst bekommt man sie als einer, der zu bestimmten Hoffnungen berechtigt, später als einer, der zwar nicht alle Hoffnungen erfüllte, aber es zu einigem Ruhm brachte, endlich als eine Art Ehrensold für einen ausgedienten Recken des Schlachtfeldes der Literatur, zwischen erlegten Schriftstellern herumhumpelnd, die alten und neuen Wunden teils vernarbt, teils verbunden, bespickt und umsaust von bald berechtigten, bald stumpfen Pfeilen der Kritik. Wenn ich nun noch mit dem Schillerpreis des Landes Baden-Württemberg dekoriert werde, so empfinde ich bei diesem Festakt sogar einen Stolz besonderer Art, habe ich es doch in Sachen Schillerpreise zu einer gewissen Meisterschaft gebracht: Dieser ist der dritte. Sei es nun aus Zufall, aus Glück oder gar aus Übung.  - Friedrich Dürrenmatt, Theater als moralische Anstalt heute. In: F. D., Versuche. Zürich 1991
 
 

Leben, literarisches

 

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