Lippen, versiegelte  Als erstes mußte der neue König seine Ländereien bereisen, während die Königin im Palast zurückblieb, denn sie war schwanger und gebar bald darauf einen prächtigen Knaben. Eines Tages, als sie dabei war, das Kind zu versorgen, erschien ihr der Teufel und forderte den Jungen von ihr.

Die Prinzessin weigerte sich, ihn herauszugeben, da entriß der Teufel ihr den Knaben, verschlang ihn und rieb ihre Lippen mit dem Blut des Kindes ein.

Kurz darauf trat die Mutter des Königs ins Schlafzimmer, um ihren Enkel zu sehen, und da sie ihn nicht antraf, fragte sie die Königin nach ihm, aber diese erwiderte nichts und brach nur in Tränen aus. So beschuldigte die Mutter des Königs sie, ihr eigenes Kind aufgegessen zu haben.

Die Mutter wartete, bis ihr Sohn zurückkam, und kaum war er eingetroffen, da hielt sie ihm vor:

»Du hast dich gegen den Willen deiner Eltern verheiratet, und nun schau, was geschehen ist.« Und sie erzählte, die Königin habe ihren eigenen Sohn aufgegessen.

Der König, der seine Frau sehr liebte, erwiderte:

»Aus ihrem Leib ist er entsprungen, und in ihren Leib ist er nun zurückgekehrt.«

Dann ging er zu seiner Gemahlin, die sich an ihn klammerte und nur bitterlich weinte, aber als er sie fragte, was geschehen sei, da flehte sie ihn an:

»Frag mich nicht, frag mich nicht!«    - Spanische Hunger- und  Zaubermärchen.  Hg. José Maria Guelbenzu.  Frankfurt am Main  2000  (Die Andere Bibliothek 183)

 

Lippen

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme