ieblingsbruder Sehr
für das Theater eingenommen und mit beachtlichen Talenten der komischen Darstellung
begabt, arbeitete er zuerst auf den Schauspielerberuf hin und setzte sich das
Theâtre Français zum Ziel; doch abgestoßen von den salbungsvollen Komödianten,
denen er unvermeidlich begegnete, wurde er Singspiel-Akteur
und spielte in Kavaliersstücken auf den Provinz- und Vorstadtbühnen mit. Da
er auch dieses Milieu noch zu künstlich und großspurig fand, wurde er Sänger
in einem Konzertcafé, dann Jongleur in einem Zirkus.
Dort erst fühlte er sich wohl, da er Leute fand, die wirklich einfach und anständig
und ihrer Kunst mit Haut und Haar ergeben waren. Zur gleichen Zeit, da sich
das vollzog, was für seine bürgerliche Umgebung nur ein »Niedergang« sein konnte,
setzte er einem sehr bewegten Liebesleben erst durch eine törichte Heirat, dann
durch eine noch törichtere wilde Ehe ein Ende. Frauen, die ihnen in jeder Hinsicht
überlegen waren, hatte er zwei stumpfsinnige Bestien vorgezogen, von denen die
erste - eine ganz jung mit chinesischen Jahrmarktsgauklern entflohene Bäuerin
- zuerst Säbelschluckerin gewesen war, dann Seiltänzerin. Körperlich schön,
verstand sie meinen Onkel zu fesseln, dem sie »ins Blut gegangen war«; aber
schließlich wurde er ihrer tierischen Sinnlichkeit doch überdrüssig, um so mehr
als sie - darunter leidend, daß sie älter war als er - ihn fast verrückt mit
ihrer Eifersucht machte. In der frühesten Erinnerung, die ich von ihr habe,
trug sie ein so rotes Kleid, daß sie aussah wie in frisches Blut getaucht. Die
Konkubine, die ihr nachfolgte, war häßlich und von einer unflätigen Roheit;
wenn möglich noch dümmer, plagte sie meinen Onkel mit ihren unaufhörlichen Schikanen
und verspottete ihn in kränkender Weise. Meine Mutter liebte diesen Bruder sehr.
- (
leiris3
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