Liebhaber, unwürdiger  Als Theophano die Kaiserloge verließ, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen, fand sie dort Theosios Arman vor, einen hochgewachsenen und schlanken Syrer, der sie hinter einer Säule erwartet hatte und nun auf sie zukam und zu ihr sprach - mit einer Stimme, die ihm in der Kehle bebte und einer verstörten Miene, die seine ganze Beunruhigung verriet. »Man sagt mir, meine Herrin und Herrscherin, daß du einen Geliebten, wenn du seiner überdrüssig bist, töten läßt.« Theophano lächelte mitleidig über diesen unvermittelten und naiven Angriff, und unterdrückte mit Mühe den Wunsch, ihm zu sagen, daß sie tatsächlich jedesmal von Haß und Verachtung für ihre Liebhaber erfaßt würde und sie töten ließe, um keine Zeugen ihrer geheimen Lüste herumlaufen zu lassen, und daß auch er, wie alle anderen, getötet werden würde. Aber warum die Wahrheit sagen; sie wußte, daß der junge Armenier zu weinen und laut zu schreien anfangen und dadurch die Aufmerksamkeit irgendeines geschwätzigen Höflings auf sich lenken würde, und dies war gewiß nicht der Moment für einen Skandal.

»Wen hast du mit eigenen Augen sterben sehen?«

»Ein paar junge Männer, die ich kannte, sind verschwunden, und man hat nichts mehr von ihnen gehört.«

»Soll ich mir vielleicht die Haare raufen, wenn ab und zu ein junger Mann verschwindet? Soll ich anfangen zu weinen? Soll ich den Flüchtenden verfolgen? Das ist doch nicht meine Aufgabe, findest du nicht? Ich kann auch der Palastgarde nicht befehlen, auf leichtsinnige Buben aufzupassen. Schließlich ist Liebeskummer nicht Sache des Staats. Wenn ich auf alle Schlechtigkeiten hörte, die man über mich sagt, dann bliebe mir nicht einmal die Zeit, meine Augen auf- und zuzumachen. Und hast du dich nie gefragt, warum ich meine jungen Freunde töten lassen sollte, wenn ich über so zahlreiche Feinde verfüge, die es verdienten, bestraft zu werden?«

Der Junge war durch die Worte Theophanos keineswegs beruhigt. Er beharrte mit verzagter Stimme: »Ich möchte dich auch weiterhin lieben, meine Herrin und Herrscherin, ich möchte nicht verschwinden wie meine Kameraden. Ich möchte dich einfach nur lieben.«

»Zum Lieben gehören zwei«, antwortete Theophano, die nicht gewillt war, noch mehr Zeit mit ihm zu verlieren. Sie drehte ihm den Rücken zu und ging hinaus. Theosios Arman folgte ihr ein paar Schritte weit, dann hielt er bestürzt inne. Er wußte nicht, was tun und wohin gehen, und blieb unschlüssig stehen, um sich über sein künftiges Schicksal zu befragen.

Während ihres letzten Zusammenseins hatte der junge Armenier Theophano nach dem Namen des schwarzen gefleckten Marmors gefragt, der das kleine Zimmer ihrer heimlichen Liebesstunden ringsum in waagerechten Bändern durchzog. Und sie hatte geantwortet, daß es sich um einen ziemlich seltenen Marmor handle, mit dem Namen Ägyptische Viper. Theodosios Arman litt unter krankhaftem Aberglauben, und das genannte Reptil im Zusammenhang mit jenem Land war ihm als unheilvolles Omen erschienen. Er hatte sich sofort zu einem Gebet niedergekniet, das sich nun aber für seine Rettung als unzureichend erwies.

Gleich nachdem sie ihre Wohnung betreten hatte, machte Theophano den beiden Eunuchen aus dem Vestiarium ein kleines Zeichen, worauf sie unverzüglich gingen, um den Jüngling abzuholen. Sie knebelten ihn und steckten ihn in einen Hanfsack, den sie außen mit einer Schnur umwickelten, damit er nicht um sich schlagen konnte. Dann trugen sie ihn in die unteren Lagerräume, die direkt mit dem Marmarameer verbunden waren, in das er zusammen mit einem schweren Stein geworfen wurde, der ihn auf den dunklen Meeresgrund hinabzog — befreit von allen Gedanken, Gefühlen und Lüsten und von niemandem vermißt, nicht einmal von seiner Mutter, die bei ihrer Schafherde in Armenien geblieben war.  - Luigi Malerba, Das Griechische Feuer. Berlin 1991

 

Liebhaber Würde

 

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