iebesleben Chili ging mit einer ganzen Reihe Frauen, mit einigen war es ernst,
mit anderen nicht. Eine hieß Rose, eine Bardame, die ein paar Jahre mit ihm
zusammenlebte. Eine andere Vera, eine Go-Go-Tänzerin, in die er sich verliebte,
doch er ertrug es nicht, daß andere Männer sie anstarrten, und so trennten sie
sich. Er ging mit Kellnerinnen, Kosmetikerinnen, Verkäuferinnen aus der Dadeland
Mall aus, lud sie zum Essen oder ins Kino ein und manchmal ins Bett. Es gab
eine Sängerin namens Nicole, die er sehr, sehr mochte, doch ihr Leben schien
dem Rock 'n' Roll zu gehören, und er wußte nie, wovon sie gerade sprach. Chili
mochte Frauen und fühlte sich in ihrer Gegenwart wohl, ohne sich verstellen
zu müssen. Er war, wer er war, und sie schienen ihn so zu mögen. Einige Frauen
mochten allerdings nicht, daß sie so oft ins Kino gingen, praktisch jedesmal,
wenn sie ausgingen. Sie hatten wohl das Gefühl, daß ihm Filme
mehr bedeuteten als sie. - Elmore Leonard, Schnappt Shorty! München 1993
(zuerst 1990)
Liebesleben (2) Unter dem Zauber seiner Rede gewannen Tier- und Pflanzenwelten menschliche Züge, die gewöhnlich von ziemlich skandalöser Natur waren. Mir ist einer dieser Monologe erinnerlich, in dem es um die Moralvorstellungen eines Tintenfisch-Stamms ging, dem, Huxley zufolge, Ovids Liebeskunst bekannt war. Aldous verbreitete sich über die Vorzüge des Tintenfisches bei allen amourösen Abenteuern ... so viele Arme, mit denen er umschlingen kann! Seine Begeisterung nahm zu, während er den Faden weiterspann. Wir befanden uns auf einem Bahnsteig der U-Bahn-Station Sloane Square. Es war Sonntagvormittag, die Bahnsteige waren voller Menschen, die auf ihre U-Bahn warteten, und sie alle hörten wie gebannt seinem Monolog zu.
Ein anderes Mal ging es um die Liebe unter Melonen. Keine sei vor den Nachstellungen
der anderen Melonen sicher, und da es auch keinerlei Inzesttabus
gebe, müßten Gärtner Melonen deshalb sicher unter Glas verwahrt halten. - Edith Sitwell, Mein exzentrisches Leben. Frankfurt am Main 1994
(Fischer-Tb. 12126, zuerst 1965)
Liebesleben (3) So heftig ich auch verliebt
gewesen bin — manchmal ist das schon vorgekommen -, ich habe niemals zu einer
Frau gesagt: «Ich liebe dich.» Ich habe nie zu Füßen einer Frau herumgelegen. Ich
habe die Liebe immer als ein gegenseitiges Geschenk
betrachtet (Eintagsabenteuer oder solche mit Berufsmäßigen
habe ich nie gehabt).- Ich habe (zwei oder drei) heftige Leidenschaften durchgemacht,
doch ohne daß die Vernunft und die Beobachtungsgabe mich im Stich gelassen hätten.
Immer habe ich mich als erster davongemacht, wenn es nicht mehr ging, ohne darauf
zu warten, daß man mir den Abschied gab. Und um das noch zu ergänzen: wäre meine
heftigste Leidenschaft mittendrin erloschen, mir hätte das nicht das geringste
ausgemacht. Jeder nach seiner Art. Meine ist so. - (
leau
)
Liebesleben (4) »Ihr ollen Männer« sagte Grete
Susmanski, »was ich mir schon aus Geist mache, da steige ich lieber in's Reich
der Mütter, ich meine das von Goethe!« - So
war sie nun mal, die Grete. Schon als Backfisch teilte sie moralische Ohrfeigen
an ihre recht zahlreichen Anbeter aus. Sie war die richtige Erotiktaktikerin.
Im späteren Leben war sie allerdings noch mehr als gegen den männlichen Geist
gegen die Verführungskünste der Männer, - Männer, sagte sie, »sind immer die
Schlauen, sie bezahlen stets und unter allen Umständen zu wenig, auch wenn wir
ihnen das Fell noch so sehr über die Ohren ziehen - ja, ja, diese Männer, achgottedoch,
was für Schweine! und wir armen Frauen fallen drauf rein!!« Damit hatte sie
nun allerdings vollkommen recht. Sie, die Grete Susmanski, war eine famose Frau,
nur so auf ihrer Suche nach dem Ideal, nach dem Vater ihres richtigen Herzenskindes
etwas auf Abwege geraten, wie das in unserer Zeit öfter vorkommt. Bei ehrenfesten
Leuten, etwa Stadtrat Münzer, galt Grete als Ausbund der Verworfenheit - aber
du liebe Zeit, diese Begriffe sind doch sehr relativ! Sie war mal im Begriff
gewesen, nachdem sie 6 Jahre verheiratet war, dem Manne ihrer Wahl als reine
Jungfrau zu folgen - oh bitte, sowas kriegen Frauen fertig, sie bleiben innerlichst
ganz unberührt - aber auf der Reise traf sie den bekannten Normalbürger und
Butterschieber Puffke. Puffke wurde ihr Verderb, oder wenn man so will, ihr
Glück. Zunächst half sie dem Puffke zur Verwirklichung seiner erotischen Pläne.
Unser Schieber war für's Romantische, für Perversität, aber auch für 'ne kräftige
Orgie in einem extra dazu von einem modernen Expressionisten eingerichteten
Schlafzimmer - die ganze Fensterwand mit Mullgardinen,
die wie große Orchideen abgebunden waren, verschleiert; die Wand, an der das
Bett stand - ein Furioso in Rot, zur Anfeuerung der Sinne; das Bett selbst war
mit Spiegeln versehen (zum Betrachten der Körperstellungen) und vor allem: es
hatte an der der Türe zugewandten Seite eine hohe pyramidenförmige Eckausbuchtung
- damit unvermutet Eintretende das in ihm sich ergehende unkeusche Paar nicht
sofort sehen konnten. Dies Schlafzimmer war einzig; Grete Susmanski liebte dafür
den Puffke 2½ Prozent inniger. Der Puffke kam auf seine Rechnung, er hatte
den physischen Genuß der Frau und das Kulturbewußtsein - und die Grete hatte
vor ihren Freundinnen eine Sensation voraus. Seidne Strümpfe zu 300 Mark das
Paar, oder Spitzenhöschen - das konnte jede haben; ein solches Schlafzimmer
stand einzig da. Und wenn nun noch gar auf Anregung des Puffke eine zweite Frau
mitagierte, um mit Grete zusammen dem Puffke lesbische Szenen vorzuführen -
der Mann band jede in 'ner anderen Zimmerecke fest und die Weibsen mußten so
tun, als sehnten sie sich zueinander - so war dies doch wirklich sehr modern!
Puffke war auch stolz auf seine Erfindung, er hoffte, daß eine staunende Nachwelt
über diese Dinge ebenso bewundernd singen würde, wie etwa über Dantes Liebe
zu Beatrice oder Michelangelo's Sonette, ja, bei Gott, Puffke vergaß das Mittelalter,
nach dem er sich so sehnte, beinahe ganz! Leider nur beinahe! Er hielt diese
moderne Kultur nicht sehr lange aus. Nicht etwa wegen der damit verbundenen
körperlichen Anstrengung - was schadete dem wohlgenährten Puffke die Liebe!
aber fand denn doch, daß dies alles noch nicht das Rechte war, noch nicht monumental
genug sei. Der Zufall half ihm. Er fuhr eines Tages geschäftlich nach Erfurt
und dort, dort - sahen seine sehnenden Augen etwas echt mittelalterliches, etwas
großes, romantisches, den Grabstein des Grafen von Gleichen mit den zwei Leichen,
d. h. also seinen zwei Frauen. Das war's! Heureka! Das mußte Puffke auch machen
- dazu hatte kein Lebender den Mut! Denken Sie mal: zwei Frauen, wo andre mit
einer nicht fertig werden! Per Flugzeug reiste unser Puffke nach Hause!! Sofort
in die Filmstadt Wolterswüste: Tag, meine Herrn! Geld habe ich, spielt keine
Rolle, machen sie mir 'nen tadellosen Film: der Graf von Gleichen holt sich
seine zweite Frau aus dem Morgenlande. Mella Hoja spielt die Türkische, Grete
Susmanski die Gräfin, den Grafen von Gleichen spiele
ich selbst!! - Aus: Raoul Hausmann, Bilanz der Feierlichkeit. Texte
bis 1933 Bd. 1. München 1982
Liebesleben (5)
Liebesleben (6)
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