SUPERINTENDENT FALKE: - - Dieser Krieg ist
eine von Gott über die Sünden der Völker verhängte Strafe, und wir Deutschen
sind zusammen mit unsern Verbündeten die Vollstrecker des göttlichen Strafgerichts.
Es ist zweifellos, daß das Reich Gottes durch diesen Krieg gewaltig gefördert
und vertieft werden wird. Und man muß hier klar und bestimmt eingestehen:
Jesus hat das Gebot »Liebet eure Feinde!« nur für den Verkehr zwischen
den einzelnen Menschen gegeben, aber nicht für das Verhältnis der Völker
zueinander. Im Streit der Nationen untereinander hat die Feindesliebe ein
Ende. Hierbei hat der einzelne Soldat sich gar keine Gewissensbisse zu
machen! Solange die Schlacht tobt, ist das Liebesgebot
Jesu völlig aufgehoben! Es gilt nicht für die Stunde des Gefechtes. Das
Gebot der Feindesliebe hat für uns auf dem Schlachtfelde gar keine Bedeutung
mehr. Das Töten ist in diesem Falle keine Sünde, sondern Dienst am Vaterlande,
eine christliche Pflicht, ja ein Gottesdienst! Es ist ein Gottesdienst
und eine heilige Pflicht, alle unsre Gegner mit furchtbarer Gewalt zu strafen
und wenn es sein muß, zu vernichten! Und so wiederhole ich euch, solange
in diesem Weltkriege die Kanonen donnern, hat das Gebot Jesu »Liebet eure
Feinde!« keine Geltung mehr! Fort mit allen Gewissensbedenken! Aber
saget mir: Warum wurden so viele tausend Männer zu Krüppeln
geschossen? Warum wurden so viele hundert Soldaten blind? Weil Gott dadurch
ihre Seelen retten wollte! Schauet um euch und betet im Angesicht der Wunder
des Herrn: Bring uns, Herr, ins Paradies! -
Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit. München 1964 (dtv sr 23, zuerst
1926)
- (
gal
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