iebe, platonische  Wenn Sokrates die poetischen Mythen verachtete, verachtete er in Wahrheit die Mondgöttin, die sie alle inspirierte und die verlangte, daß der Mann der Frau geistig und sexuell Ehre erweise: was platonische Liebe genannt wird, nämlich die Flucht des Philosophen vor der Macht der Göttin in intellektuelle Homosexualität, das war eigentlich sokratische Liebe. Er konnte sich nicht auf Unwissenheit berufen. Diotima Mantinike, die arkadische Prophetin, deren Magie der Pest in Athen Einhalt geboten hatte, gemahnte ihn einst, daß des Mannes Liebe der Frau gelten solle und daß Moira, Eilithyia und Kallone - Tod, Geburt und Schönheit - eine Trias der Gottheit bildeten, die über alle Zeugung gebot: physische, spirituelle oder intellektuelle. In einer Passage des Symposion, wo Plato des Sokrates' Bericht über Diotimas weise Worte wiedergibt, wird das Gastmahl durch Alkibiades unterbrochen, der auf der Suche nach einem schönen Knaben, Agathon, trunken hereinkommt und diesen schließlich neben Sokrates kauernd findet. Sogleich berichtet er allen, wie er selbst einmal Sokrates, der in ihn verliebt war, zur Liebe aufgefordert habe, deren jener sich aber philosophisch enthielt, vollauf zufrieden mit nächtelangen keuschen Umarmungen von des Geliebten schönem Körper. Wäre Diotima dort gewesen, um dies zu hören, hätte sie ihr Gesicht verzogen und dreimal in ihren Busen gespuckt; denn obgleich die Göttin, wie Kybele und Ischtar, die Knabenliebe sogar in ihren eigenen Tempelhöfen duldete, galt ihr ideelle Homosexualität als eine viel schwerere moralische Verirrung - sie war der Versuch des männlichen Intellekts, sich spirituell unabhängig zu machen. Ihre Rache an Sokrates - wenn ich es mal so ausdrücken darf -, dafür, daß er versucht hatte, sich selbst auf apollinische Weise zu erkennen, statt dieses Werk einer Frau oder Geliebten zu überlassen, war charakteristisch: sie fand ihm ein zänkisches Weib, die Xanthippe, und hieß ihn, seine idealistischen Gefühle an den Alkibiades zu heften, der ihn herabwürdigte, indem er zu einem lasterhaften, betrügerischen und selbstsüchtigen Mann - zum Fluch Athens - heranwuchs. Und sie endigte sein Leben mit einem Trank des weißblütigen, faulig duftenden Schierlings.  - (grav)
 

Liebe

 

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